Agrippina - Kaiserin von Rom
Peliodoros und Valerius folgten ihnen.
»Ich werde tun, was ich kann, Tribun, aber ich bin nicht allmächtig. Du solltest inzwischen zu deinen Göttern beten, wer immer sie sind.«
Valerius nickte.
»Wer ist übrigens Maternus?«
»Maternus?« Valerius blickte den Arzt erstaunt an. »Wie kommst du auf diesen Namen?«
»Dirana hat ihn mehrfach gemurmelt, bevor sie das Bewusstsein verlor. Ich hatte den Eindruck, dass er ein wichtiger Mann für sie ist. Sie wollte ihn unbedingt sehen.«
»Ich werde ihn rufen lassen«, sagte Valerius, »er ist ... er ist so etwas wie ein Freund der Familie.«
» Bene , aber erst muss sie zu Kräften kommen. So, hier sind wir schon.« Er wies auf ein niedriges Haus kurz vor dem Nordtor.
»Du kannst uns jetzt verlassen. Komm morgen zur fünften Stunde, dann kann ich mehr sagen.«
Valerius drückte einen Kuss auf die wächsernen Lippen seiner Frau und sah lange dem kleinen Zug nach, der das Haus des Arztes betrat. Dann wickelte er sich in seinen Mantel, denn die Nacht war sehr kühl geworden, und strebte mit schnellen Schritten seinem Haus zu. Die stämmige Gestalt, die sich hinter einem Brunnenmonument verborgen hatte, entging seinem müden Blick.
***
Mitternacht war längst vorbei. Die Straßen waren ausgestorben, und nur die kleinen Trupps der städtischen Vigiles zogen einsam ihre Runden. Einige wenige Zecher strebten weinselig ihrer Wohnung zu und gaben lauthals einige Gassenhauer von sich. Behutsam löste sich eine stämmige Gestalt aus dem Schatten der Wand. Wie ein Hirsch, der vorsichtig witternd eine nächtliche Lichtung betritt, sah sich der Mann nach allen Seiten um, bevor er sich dem Hause des Arztes Peliodoros näherte.
Die Tür war nicht verschlossen und gab dem Druck der Hand willig nach. Stockdunkel war es in dem kleinen Haus, und der Mann ging ganz langsam durch die winzige Eingangshalle.
Wo beim Hades sollte er sein Opfer in dieser Dunkelheit suchen? Er trat gegen einen Tisch und zog behutsam den Fuß zurück. Jetzt bloß keinen Lärm machen, dann wäre alles vorbei. Aber hier war er schon einmal gewesen. Zwar war das Jahre her, dass er hier seinen Zechkumpan und Freund Tulliosus besucht hatte, den ein Pferdefuhrwerk überfahren hatte, aber er erinnerte sich genau daran, dass die Kranken im ersten Zimmer des Ganges auf der linken Seite gelegen hatten. Wenn Pluto ihm gewogen ist, dann haben sich die Dinge nicht geändert. Vorsichtig tastete er sich an der Wand entlang. Hier mündete der schmale Gang, der zu den kleinen Zimmern führte. Im ersten Zimmer zur linken Seite musste sein Opfer liegen. Die kleinen Cellae waren nur durch einen Vorhang vom Gang abgetrennt. Behutsam hob er den Vorhang und schlüpfte in den Raum. Pluto sei Dank! Die regelmäßigen Atemzüge eines Schlafenden empfingen ihn. Gefunden! Leise, ganz leise trat er an die Liege heran. Der fahle Schein des Mondes, der durch die winzige Fensteröffnung fiel, enthüllte ihm die weiblichen Rundungen der Schlafenden, die sich deutlich unter der Decke abzeichneten. Behutsam legte er seine kräftigen Hände um den Hals der Frau, dann drückte er zu. Ein kurzer ächzender Laut, ein letztes Zappeln der Beine, dann war die Tat getan. Schon wollte der Mann den Raum verlassen, da fiel ihm noch etwas ein. Er kramte in der Tasche seines Wollmantels und fischte einen Zettel hervor. Den steckte er der Toten grinsend in den weit geöffneten Mund. Dann verließ er das Haus so unbemerkt, wie er es betreten hatte.
***
Laut klagend zieht der Trauerzug über das Forum . Gemietete Klageweiber raufen sich die Haare und schlagen sich gegen die entblößten Brüste. Hinter der Leichenbahre schreitet Agrippina in einer blutroten Tunica . Gemessenen Schritts geht sie durch die Straße, blickt nach beiden Seiten und genießt sichtlich die Bewunderung, die ihr von der Menge entgegengebracht wird. Der kleine Titus wirft jauchzend Süßigkeiten in die Menge und tanzt ausgelassenum die Bahre herum. Auch Seneca steht am Wegesrand und blickt ernst auf die Prozession.
Neben ihm steht grinsend und feixend Martialis, der junge Spötter. Er zeigt hohnlachend auf die Wandinschrift, die er gerade verfasst hat. Jetzt kommt eine Abordnung der städtischen Vigiles . Ihre Kleidung ist verschmutzt und ärmlich. Statt Waffen tragen sie Musikinstrumente, Posaunen, Klappern, Hörner. Und Trommeln, immer wieder Trommeln. Laut schlagen die Männer auf ihre Instrumente, so laut, dass die ganze Stadt von ihrem Klang widerhallt. Wenn doch dieser
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