Agrippina - Kaiserin von Rom
werden.
»Eigentlich«, hatte Maternus gemeint, »eigentlich bedarf es einer größeren Vorbereitung, um diesen wichtigen Akt vornehmen zu können. Aber ich glaube, dass unser Herr Jesus Christus gewiss nichts dagegen hat, bei dir eine Ausnahme zu machen.«
Als er das sagte, verschwieg er wohlweislich den Grund, warum er von weiterer Vorbereitung absah. Aber es war Maternus klar, dass er hier eine Sterbende vor sich hatte und ihm allenfalls noch Stunden blieben, in denen er sie taufen konnte.
»Glaubst du an Jesus?«, hatte Maternus gefragt, und Dirana hatte mit ganzem Ernst geantwortet: »Ich glaube!«
So ließ Maternus sich eine Schale klaren Wassers bringen. Dirana hob mit Mühe ihren Kopf, und während Maternus das Wasser über ihrem Kopf ergoss, sprach er: »Ich taufe dich hiermit im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Möge Gott dich mit seinem Segen erfüllen.«
Dann legte Maternus seine Hand auf ihre heiße Stirn und salbte sie mit einem wohlriechenden Öl. Nur die Freundin Antonia war während dieser einfachen Prozedur anwesend und freute sich mit Maternus über das glückliche Lächeln, das über die schmalen Züge der Getauften floss.
»Jetzt bin ich eine Tochter Gottes, nicht wahr?«
»Ja, mein liebes Kind«, hatte Maternus gemurmelt und nur mühsam seine Tränen zurückhalten können, denn er wusste, dass seine kleine Gemeinde ihr neuestes Mitglied schon allzu bald verlieren würde. Der unbarmherzige Schatten des Todes schien schon durch das Zimmer zu schleichen, bereit, sein Opfer im nächsten Augenblick zu packen und dieser Welt zu entreißen.
»Wenn doch Marcus dieses Glück kennen würde«, hatte Dirana aufgeregt geflüstert, und für eine kurze Zeit war etwas Farbe in ihr Gesicht zurückgekehrt.
»Bitte, Maternus!«, hatte sie gebettelt. »Du musst alles tun, um ihn und auch unseren Titus zum wahren Glauben zu führen.«
Maternus hatte es versprochen. In dieser Situation hätte er alles versprochen, auch wenn ihm klar war, wie aussichtslos das versprochene Unterfangen im Augenblick sein musste. Wenn Dirana sterben würde, würde der Tribun, der ohnedies den alten Göttern anhing, sich kaum für diesen neuen Glauben gewinnen lassen. Zum Schluss hatte er ihr den Segen seines Herrn gespendet und versprochen, er wolle für sie beten und sie recht bald wieder besuchen. Danach war Dirana wieder in die Einsamkeit ihres verzehrenden Fiebers gefallen.
***
In der Küche des Landgutes herrscht emsige Betriebsamkeit. Die Vorbereitungen für das Abendessen werden getroffen, und mehrere Sklavinnen sind unter der strengen Aufsicht der Herrin Sempronia mit Backen, Braten und Kochen beschäftigt. Der Fasan muss noch gerupft, der Schweinebraten gefüllt, das Gemüse geputzt werden. Zwei Sklavinnen beschäftigen sich nur mit der mehrgängigen Nachspeise. Die eine schlägt emsig Eier in eine Schüssel, die andere fügt Honig, Koriander und Rosinen dazu und verrührt alles zu einem süßen Schaum. Einige Gäste wird man heute bewirten, und da muss das Essen von besonderer Güte sein. So will es Sempronia, die strenge Herrin.
In einer Ecke der großen Küche, dicht am wärmenden Herdfeuer, steht die junge dunkelhäutige Sklavin Sala und rührt zitternd durch die Hühnerbrühe. Sie zittert, weil sie friert, denn sie ist die Wärme ihres Heimatlandes Africa gewöhnt und hat sich auch in den fünf Jahren, in denen sie jetzt schon Subrius Caesonius dient, nicht an die Temperaturen ihrer neuen kalten Heimat gewöhnen können. Sie zittert aber auch aus anderem Grunde. Gleich wird sie wieder einen Teller frischer Hühnerbrühe zu der Kranken im ersten Stock bringen – und sie wird wieder etwas aus der kleinen Phiole hineinschütten, die sie sorgsam unter ihrem groben Kleid verborgen hat. Der Gedanke lässt sie erzittern, und sie seufzt tief auf.
»Was hast du, Sala?«
Aber die Sklavin schüttelt zu der Frage der Mitsklavin nur den Kopf und rührt weiter. Die Kranke tut ihr Leid und ihr kleines Söhnchen auch. Und der gut aussehende Tribun, ihr Mann, ebenso. Sie alle wird sie ins Unglück stürzen. Aber sie hat keine andere Wahl. Man hat ihr den Auftrag gegeben – Dirana zu vergiften, und die Phiole mit dem tödlichen Gift wurde direkt mitgeliefert. Sie hat keine andere Wahl, und deshalb hat sie auch keinen Augenblick daran gedacht, sich ihrem Herrn Subrius Caesonius anzuvertrauen. Zwar ist der gütig und gerecht und würde ihr sicher helfen, aber sie weiß, was das für ihr Kind bedeuten
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