Agrippina - Kaiserin von Rom
bereit. Das tödliche Spiel kann beginnen!
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» Optima mater – allerbeste Mutter!« Mit diesen Worten hatte Nero seine Mutter empfangen, als sie das Schiff verlassen hatte, das sie von Antium nach Baiae gebracht hatte. In seiner golddurchwirkten und samtverbrämten Toga sah er wahrhaft königlich aus, wie Agrippina voll Stolz bemerkte. Auch das rote, mit einem Lorbeerkranz bekrönte Haar hatte er etwas gekürzt, was seine Mutter mit Freude registrierte. Jetzt sah er wirklich aus wie ein Cäsar und nicht wie ein phrygischer Wagenlenker aus dem Circus Maximus. Eine ganze Schar von Höflingen, unter ihnen auch Seneca und Burrus, Anicetus und Tigellinus waren Zeugen einer überaus herzlichen Begrüßung gewesen. Das war ein Umarmen und Küssen zwischendem Kaiser und seiner Mutter, dass sich manche der Anwesenden ob dieser ungewohnten Herzlichkeit nachdenklich ansahen. Eine prachtvolle, mit Goldintarsien geschmückte Sänfte, getragen von sechs dunkelhäutigen Riesen, brachte den Kaiser und seinen Ehrengast zum nahen Palast.
Agrippina lag in den weichen Seidenkissen – und war glücklich. All die, die sie vor der Annahme der Einladung gewarnt hatten, hatten Unrecht gehabt. Die alte Harmonie zwischen Mutter und Sohn war wiederhergestellt. Die Vorstellung, schon bald wieder ihre frühere Machtposition einnehmen zu können, erfüllte sie mit fast kindlicher Freude. Vergessen war auch die Warnung, die eine unbekannte Hand ihr auf ein kleines Wachstäfelchen geschrieben hatte. Sie solle auf keinen Fall die Einladung ihres Sohnes annehmen. Gefahr drohe! Pah! Welche Gefahr könnte ihr schon von ihrem eigenen Blut drohen? Unsinn! Hatte nicht ihr Sohn vor zwei Tagen noch in einer öffentlichen Rede unter großem Beifall erklärt, es sei römische Tugend, den Zorn der Eltern zu ertragen und sich selbst zu mäßigen? Gab es ein deutlicheres Zeichen für seinen Versöhnungswillen? Sie hatte jedenfalls das kleine Täfelchen sofort ins Feuer geworfen, wo die Warnung zischend verglühte. Der überaus freundliche Empfang hatte alle Erwartungen überstiegen und alle möglichen Besorgnisse, die auch ihr Vertrauter Crepereius geäußert hatte, in die lauen Winde der misenischen Bucht zerstreut.
Und dann das Gastmahl. Wegen des lieblichen Abends hatten die Sklaven auf Befehl des Haushofmeisters nicht im großen Speisesaal angerichtet, sondern auf einer der großen Terrassen aus Marmor, die weit auf das Meer herausragte. Zahllose Fackeln, in silbernen Halterungen paarweise an der Terrassenbrüstung befestigt, warfen ihr unstetes Licht auf die zu Tisch Liegenden. Statt unter der mit bunten Ornamenten aus griechischer Mythologie geschmückten Decke des Saales speiste man unter dem unendlichen Himmelszelt hell strahlender Sterne. Wer zwischen all den Genüssen einen Blick auf die Meeresfläche warf, konnte hin und wieder silberhelle Fische aus dem Wasser springen sehen, die in verliebtem Taumel einander jagten.
Und so gut hatte Agrippina lange nicht mehr gespeist. Die kaiserliche Küche hatte alles aufgeboten, was einem verwöhnten Gaumenmunden musste. Da war zunächst die Vorspeise. Emsige Sklaven brachten silberne Platten mit frischem Salat, in Honig gedünstete Schnecken, Bergspargel umlegt mit Eiern und Oliven, dazu fein gewürzte Sardellen in Garum , jener unvermeidlichen Fischsoße, die zu keinem Gang fehlen durfte. Als Hauptgang reichte man köstlich zubereiteten Fisch in Orangensoße, mit Apfel und Honig gefülltes Zicklein, Fasanenbrust in Schnittlauch und Minze zart gedünstet, Schweineeuter in spanischem Pfeffer, gefüllt mit Oliven, Zwiebeln und Gurken. Und als eigentlich schon niemand mehr essen konnte (die unappetitliche Prozedur mit der Pfauenfeder war am kaiserlichen Hofe schon längst verpönt), wurden noch riesige Platten mit süßem Obst, Birnen, Äpfeln, Trauben und Nüssen gebracht, umlegt mit feinstem Backwerk, in Honig und Safran geröstet. Dazu trank man je nach Geschmack honigsüßen Wein, den kräftigen Falerner oder den herben Caecuber. Je mehr das Mahl fortschritt, umso mehr wurde auf das Einmischen von Wasser verzichtet, und die ersten Gäste begannen unter den gnädigen Blicken des Kaisers schon, den Gastgeber mit lauten Gesängen hochleben zu lassen.
Agrippina nahm von allem nur sehr wenig. Zum einen war sie es gewohnt, wenig zu sich zu nehmen, zum anderen quälte sie an jenem Abend ein Magenschmerz, der vermutlich auf die Aufregung vor dem Treffen zurückzuführen war. Der Kaiser hatte sie ganz vorne,
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