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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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Lebenden, nicht der Toten. Nur was hieß das? Er musste unbedingt Maternus fragen. Und zur nächsten Versammlung dieser merkwürdigen Gemeinde wollte er auch gehen.
    Leisen Schrittes war Flavia Spatiatica neben ihn getreten. Valerius kannte die attraktive Frau mit den rehbraunen Augen schon seit seinem ersten Aufenthalt in der Ubierstadt. Im Rahmen seiner damaligen Ermittlungen hatte er sie befragt, denn ihr Mann, der Gewürzhändler Flavius Spatiaticus war das erste Opfer jener Mordserie gewesen. Valerius erinnerte sich aber genau daran, dass damals zwar ihr Mann zu jener Gruppe der Christen gehört hatte, nicht aber sie. Im Gegenteil, soweit er sich erinnerte, hatte sie ziemlich abfällig vom neuen Glauben ihres Mannes gesprochen. Er nahm sich vor, sie nach den Gründen ihres Gesinnungswechsels zu fragen, denn offenbar gehörte sie jetzt nicht nur zu dieser Sekte, sondern stand auch in besonderem Verhältnis zu ihrem Leiter Maternus. Immerhin fanden in diesem Hause regelmäßig Treffen dieser Gruppe statt.
    Valerius spürte plötzlich, wie Flavia sanft ihre Hand auf seine Schulter legte. »Es tut mir so Leid«, sagte sie mit warmer Stimme, »was mit Dirana geschehen ist. Ich habe sie einmal auf einer unsererVersammlungen kennen gelernt, zu der Maternus sie mitgebracht hat. Sie muss eine sehr liebenswerte Frau gewesen sein, nicht wahr?« Ohne die Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: »Sie verströmte neben ihrer Lebensfreude auch das, was wir ... Herzenswärme nennen. Du weißt, was ich meine?«
    Valerius nickte still. Eine Weile lang gingen sie stumm durch die Laubengänge des kleinen Innenhofes, der so viel Frieden und Harmonie verströmte. Auf dem Brunnen in der Mitte hatten sich mehrere Spatzen niedergelassen, die mit frechem Gesang balgten.
    »Wie bis du eigentlich zu deinem neuen Glauben gekommen?«, fragte Valerius plötzlich.
    Flavia blickte ihn befremdet an. »Neuer Glaube? Wie meinst du das?«
    »Nun, als ich dich zum ersten Mal traf, damals, kurz nachdem dein Mann erm... äh, starb, machtest du mir nicht den Eindruck, dass du dem Glauben der Nazarener allzu viel abgewinnen könntest.«
    Mit einer grazilen Handbewegung lud Flavia ihren Gast ein, in einer kleinen Sitzgruppe aus Bastmöbeln in der Ecke des Hofes Platz zu nehmen. »Ach, das meinst du. Ich verstehe.« Sie schien einen Augenblick nachzudenken, und ihre Gedanken müssen sich weit, weit fortbewegt haben. Sie räusperte sich und griff nach einer der dunkelroten Trauben, die in einem Silberkörbchen lagen.
    »Erst war es der Mensch, dann der Glaube!«
    »Äh ... was, ich verstehe nicht.«
    Flavia lachte ein silberhelles Lachen, das ihre kleinen Grübchen besonders zur Geltung brachte. Sie trug eine weiße Tunica , die an den Rändern blau eingefärbt war. Mit einem Lächeln schüttelte sie das mittellange nussbraune Haar, als wolle sie die Gedanken herausschütteln. »Ich meine, es war zuerst der Mensch Maternus, der mich nachdenklich werden ließ. Seine Güte, seine Wärme. Die Dinge, die er sagte und wie er sie sagte. Mit der Zeit wurde mir mehr und mehr klar, dass das, was da aus dem Orient zu uns kam, etwas ganz Neues war. Nichts, was ich vorher gehört hatte, war so voller Liebe wie dieses. Kannst du dir vorstellen, dass Jupiter den Römern befehlen würde, ihre Feinde zu lieben? Oder dass Juno die Menschen lehren könnte, die Mitmenschen genauso wie sich selbstzu lieben?« Flavia wartete keine Antwort ab. »Oder dass Mars verkündet, dass, wenn einer dir zur Linken eine Ohrfeige gibt, du ihm auch die rechte Wange hinhalten sollst?«
    »Solche Dinge gebietet euer Gott?«
    Flavia nickte eifrig. »Das und viel mehr. Ich kann es dir unmöglich jetzt alles erzählen, und überhaupt kann es dir Maternus viel besser erzählen, denn er hat Jesus persönlich gekannt. Wie ich ihn doch darum beneide!«
    Abrupt wechselte sie das Thema. »Was wirst du jetzt eigentlich mit deinem Söhnchen machen? Ich meine ...« Sie setzte den Satz nicht fort, denn eine düstere Wolke der Trauer zog über Valerius’ Gesicht.
    Der schluckte und räusperte sich, bevor er antwortete: »Ich habe mir meine Gedanken darüber gemacht. Subrius Caesonius hat vorgeschlagen, er könne auf seinem Landgut bleiben. Man werde ihn wie einen späten Sohn hegen und pflegen.«
    »Und? Wirst du dem zustimmen?«
    Valerius schüttelte den Kopf. »Ich denke, ich werde ihn zu meinen Eltern bringen. Sie haben ihn noch nie gesehen und werden sicher ganz begeistert sein.«
    »Wo leben deine Eltern?

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