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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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der Ubierstadt und trug schon eine Ahnung des kommenden Sommers in sich. Geschäftig eilten die Menschen hin und her, emsig bemüht, die Spuren des harten Winters aus den Häusern zu tilgen. Die Alten saßen auf den Bänken am Forum und wärmten die müden Knochen, Kinder spielten auf dem großen Platz zwischen den Ständen der Händler, die sie mit unwirschen Worten zu vertreiben suchten. Das Ganze unter dem Blick des Kaisers, der gnädig von seinem Podest auf die lärmende Schar heruntersah.
    Fernab vom städtischen Lärm, im Hause der Witwe Flavia Spatiatica nahe dem Westtor, saßen Valerius und Maternus, tief versunken in ihre Gedanken. Gestern war Dirana bestattet worden, und Valerius war auch heute noch vom Schmerz wie betäubt. Sie hatten im Peristyl des Hauses einen schattigen Platz gefunden, in der Nähe einer immergrünen Ilixhecke, die sie von dem Rest des Innenhofes abschirmte. Die Hausherrin hatte sie mit Wein, Obst und Gebäck versorgt, aber nichts davon wurde angetastet. Sie selbst hatte sich diskret zurückgezogen und die beiden Männer ihrem Schmerz überlassen. Valerius hatte Maternus mitgeteilt, dass sie unter Überwachung der städtischen Polizeibehörde standen, und der Bischof von Colonia Agrippinensium hatte das kummervoll zur Kenntnis genommen und versprochen, die Mitglieder seiner Gemeinde würden nichts tun, was das Missfallen der Behörden erregen könnte. Im Übrigen, so hatte er nachdrücklich betont, verhielten sich auch Christen grundsätzlich kaisertreu, denn ihr Herr habe auf entsprechende Frage einmal gesagt: » Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist! «
    »Ich weiß nicht, was dich in deinem Schmerz trösten könnte«, sagte Maternus nun leise. Er hatte seine Hand auf den Arm des Tribuns gelegt und blickte ihn aus gütigen Augen mit Wärme an.
    »Aber vielleicht das: Sie ist kurz vor ihrem Tode eine der Unsrigen geworden.«
    »Eine der Euren? Wie meinst du das?«
    »Ich habe sie getauft!«
    »Was bedeutet das, taufen?«
    »Rein äußerlich bedeutet es nicht mehr, als dass ich eine Schale mit Wasser über ihrem Kopf entleert habe. Aber das ist nur ein Symbol, ein Symbol für die innige Verbindung, die sie dadurch mit unserem Herrn Jesus Christus eingegangen ist.«
    »Und Dirana wollte das? Ich meine, getauft werden?«
    »Sie wollte es mit jeder Faser ihres Herzens.«
    Bei dieser Bemerkung zuckten Valerius’ Mundwinkel schmerzlich zusammen. Der Anblick der Toten trat so deutlich vor seine Augen, als säße er jetzt an ihrem Bett.
    »Dieser dein Herr, ist er auch getauft worden?«, fragte er nach einer längeren Pause.
    »Natürlich. Wenn man so will, ist er als Erster getauft worden, und zwar von einem Prediger namens Johannes. Und als er getauft wurde, es geschah in einem Flusse namens Jordan, da öffnete sich der Himmel und eine Stimme rief herab: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich ein Wohlgefallen habe. Auf ihn sollt ihr hören! «
    »So ist sein Vater ein mächtiger Gott?«
    »Marcus Valerius, es gibt nicht mächtige und weniger mächtige Götter, es gibt nur einen Gott. Es mag für deine Ohren anmaßend klingen, aber all die, die ihr als Götter verehrt, denen ihr Tempel baut, sie sind nichts als Abbilder der Menschen selbst. Sie essen und trinken, sie heiraten und begehen Ehebruch, sie zeugen Kinder, sie morden und tun alles, was wir Menschen tun. Sie tun es, weil die, die an sie glauben, wollen, dass sie es tun.«
    »So hat dein Gott nichts gegessen?«
    Maternus unterdrückte mühsam ein Lachen. Das wäre jetzt sicher nicht angebracht gewesen, andererseits klang so viel unbeholfene Naivität aus dieser Bemerkung des verzweifelten Mannes, dass sie schon sehr zum Lachen reizte.
    »So lange er auf Erden lebte, hat er gegessen und getrunken wie ein Mensch, denn er war ein Mensch.«
    Valerius schüttelte den Kopf. »War er nun Gott oder Mensch?«
    »Auch wenn das schwierig für dich sein sollte: Er war beides. Sein Vater, unser aller Gott und Schöpfer im Himmel, hat ihn auf die Erde geschickt, damit er als Mensch unter Menschen lebe. Dabei hat er aber sein ... äh ... Gottsein nie aufgegeben, verstehst du?«
    Valerius blickte ihn ratlos an. »Gut, lassen wir das, ich versteh es ohnedies nicht. Aber Dirana hat es auch nicht geholfen. Sie ist tot, ihr schöner Körper wurde den Flammen zum Raub, und alles, was von ihr blieb, ist eine kalte Urne.«
    »Falsch, Valerius, ganz falsch. Sie lebt!«
    Bei dieser Bemerkung bildete sich eine steile Falte des Unmuts auf Valerius’ Stirn,

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