Agrippina - Kaiserin von Rom
Fäden in der Hand haben, und Valerius begriff allmählich, um wen es sich handelte!
***
Sein nächster Weg führte ihn zum Prätor. Ohne auf den schimpfenden Viridorix zu achten, stürmte er in das Zimmer des Beamten. Gaius Volturcius Crassus sah überrascht auf, als Valerius ihm den Einberufungsbescheid auf den Tisch knallte. Der Prätor warf einen kurzen Blick auf das Schreiben und sah den Tribun freundlich an. »Und? Was soll ich damit?«
»Was du damit sollst? Wie kann ich meine Ermittlungen weiterführen, wenn ich mit der Legion zu einer Expedition in das Land der Sugambrer abkommandiert bin? Du musst das bei dem Legaten rückgängig machen!«
»Wie soll ich das tun?«, antwortete der Prätor . »Wie du weißt, steht ein Legat im Rang höher als ich, und die Angelegenheiten der Legion gehen auch grundsätzlich vor.«
»Aber ich habe eine Sondervollmacht des Kaisers, du hast sie gesehen!« Er wedelte mit der Diploma vor der Nase des Prätors , doch der zeigte sich ungerührt.
»Dann zeig das dem Legat in Novaesium . Vielleicht beeindruckt ihn das. Ich kann nichts für dich tun. Und jetzt entschuldige mich.«
Einige Stunden später saß Valerius dem Legat der 16. gallischen Legion gegenüber. Cassius Iunius Silanus war ein freundlicher Mann. Mit Wohlwollen betrachtete er den zornigen Tribun, der in sein Quartier gestürmt war. Aufmerksam las er sich die kaiserliche Sondervollmacht durch.
»In der Tat.« Der Legat schüttelte den Kopf. »Das war mir nicht bekannt. Gleichwohl muss ich dich bitten, meinem Befehl zu folgen. Ich habe den Befehl zum Feldzug gegen die Germanen erst vor einigen Tagen erhalten. Er war auch für mich überraschend. Und in diesem Befehl wirst du namentlich erwähnt.«
»Ich werde erwähnt?«
» Sic – so ist es! Bitte, du darfst die Stelle gerne lesen. Serodix!«
Der germanische Schreiber des Legaten überreichte Valerius eine Schriftrolle mit dem kaiserlichen Siegel. Der magere Daumen des Schreibers war schon genau auf die Stelle gerichtet, von der der Legat gesprochen hatte:
Solltest du im Übrigen, wie du zuletzt mitgeteilt hast, knapp an
Offizieren sein, so wollen wir dir mitteilen, dass sich zurzeit in
Colonia Claudia Ara Agrippensium der Prätorianertribun
Marcus Valerius Aviola in unserem Auftrag aufhält. Seine ihm
von uns übertragene Aufgabe ließe es aber durchaus zu, dass du
dich seiner großen Offizierserfahrung bedienst und du ihn
kurzfristig deinem Kommando unterstellst. Er mag dann nach
Abschluss des Unternehmens seine ursprüngliche Aufgabe wieder
aufnehmen ...
»Darf ich fragen, wer den Befehl unterzeichnet hat?«
»Wer ihn unterzeichnet hat?« Der Legat war verblüfft, eine solche Frage hatte er offensichtlich nicht erwartet. »Den Befehl hat ...«
»Lass mich raten, Legat! Es war nicht etwa Narcissus, sondern Pallas, nicht wahr?«
»Ja ... äh ... Pallas, aber wieso ...?«
»Findest du es nicht seltsam, dass der Befehl von Pallas unterzeichnet wurde? Was hat der Minister a rationibus mit einem solchen Befehl zu tun? Hätte er nicht viel eher von Narcissus unterzeichnet werden müssen, dem Leiter der kaiserlichen Kanzlei?«
»Äh ... ja ...« Cassius Iunius Silanus war unsicher geworden. In seinem Kopf schwirrte es. Er war Kriegsmann und nicht Politiker. Was verstand er von den Kompetenzen der Freigelassenen in Rom?
»Nun!« Er hatte sich wieder gefangen. »Befehl ist Befehl! Und ob er jetzt von dem einen Freigelassenen oder dem anderen kommt, ist egal. Er kommt aus Rom! Roma locuta, causa finita – Rom hat gesprochen, die Sache ist entschieden. Es tut mir Leid für dich, Tribun, wenn der Befehl deine Pläne stört. Aber du hörst ja, was immer du für einen Auftrag hier auszuführen hast, du wirst es nach Abschluss unseres Unternehmens fortsetzen können. Ich denke, unsere Expedition wird kaum mehr als vier Wochen dauern. Was ist das schon?
Und siehe: Unser Expeditionsheer besteht aus acht Kohorten, vier von uns, vier stellt uns die Legio I Germanica in Bonna, verstärkt werden wir durch zwei Alen aus Mogontiacum. Acht Kohorten bedeutet, ich brauche acht Tribune. Von meinen Tribunen hier sind drei zurzeit dienstunfähig, und das schon seit langem. Sie könnten kein Pferd besteigen, geschweige denn ein Schwert führen. Ich brauche dich daher. Ich erwarte dich morgen zur dritten Stunde zur Stabsbesprechung!«
Valerius nickte wortlos. Er hatte verstanden.
Auf dem Ritt nach Hause ging ihm vieles durch den Kopf. Allmählich entwirrte sich
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