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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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leichter!«
    Valerius stand auf, doch Spurius’ dünne Hand hielt ihn zurück.
    »Segne mich, bevor ich auf den langen Weg ins Reich unseres himmlischen Vaters gehe. Segne mich!«
    Bei allen Göttern, durchfuhr es Valerius, was meint er damit? Was tun diese Leute, wenn sie einander segnen? Er spürte das drängende Verlangen des jungen Mannes nach einem Wort, nach einer Geste. Das Kreuz! War es nicht das Kreuz, an dem ihr Gott starb? Vielleicht ...? Er machte ein unbeholfenes Zeichen nach Art eines Kreuzes und sah sofort, wie sich die Züge des jungen Römers entspannten.
    »Danke, Eucharios!« Erschöpft sank er zurück und schloss die Augen. Besorgt fühlte Valerius nach seinem Puls, doch der schlug noch, schwach zwar, aber er schlug.
    Im Atrium empfing ihn ein leichenblasser Caecina. »Bei Jupiter, ich habe alles angehört. Der Kaiser ist in Gefahr! Er soll ermordet werden – von seiner eigenen Gattin! Ist das zu glauben? Oh, ihr Zeiten, oh ihr Sitten! Wie weit ist es mit Rom gekommen, wenn die Gattin dem kaiserlichen Gatten nach dem Leben trachtet!«

XX.
Die Hexe vom Aventin
    Wenn man das Tal, in dem der große Circus Maximus liegt, verlässt, wenn man die zahllosen Garküchen, Buden und Stände, die das Stadion umgeben, hinter sich gelassen hat und dem aufdringlichen Geschwätz der trügerischen Astrologi entkommen ist, die dort ihre Dienste anbieten, erhebt sich, hart am Tiber gelegen, fast quadratisch und nach allen Seiten schroff abfallend, der Mons Aventinus . Anfänglich unbewohnt und in seiner rauen Wildheit belassen, wurde dieser Hügel erst vor vierhundert Jahren den Plebejern zur Bebauung überlassen. Neben ihren armseligen Häusern finden sich nur Tempel hier, davon aber nicht wenige. Servius Tullius hat hier den Tempel für die Diana erbaut, Sempronius Gracchus den Tempel für die Libertas und Camillus den für Juno Regina. Außerdem findet man dort die kleinen Tempel der Luna, der Minerva und des Soldatengottes Jupiter Dolichenus. Kaiser Augustus bildete aus dem Aventin und der südwestlich bis zum Tiber sich erstreckenden Ebene die 13. Region der Stadt Rom, und erst unter Kaiser Claudius wurde dieser Bereich offiziell in die Stadt aufgenommen. Der Legende nach hauste hier einst der riesenhafte Räuber Kakos mit seinen mörderischen Kumpanen. Eine andere Sage will wissen, Romulus und Remus hätten hier die Vogelschau gehabt, bevor sie ihr Dörfchen gegründet hätten. Auch liege der Leib des Remus hier begraben.
    Inzwischen hat sich hier vieles verändert. Der Hügel ist fest in der Hand jener gescheiterten Existenzen, für die in der Stadt kein Platz ist. Aufrührer und Revolutionäre spinnen hier ihre Träume vom wagemutigen Umsturz und feiern Lucius Sergius Catilina als ihren Helden. Feine Leute wohnen hier nicht, erst in späterer Zeit werden auch die Patrizier die wildromantische Schönheit dieses Hügels entdecken und sich mit ihren prachtvollen Palästen hier ansiedeln. Noch aber meiden sie diese Gegend eher, denn neben den politischen Träumern haben sich Strauchdiebe, Beutelschneiderund Wegelagerer, Räuber und Mordbuben in den verwahrlosten Hütten eingenistet. Wer hier wohnt, zieht erst nachts durch Rom. Selbst der Mob, der in der Subura wohnt, spricht nur mit Geringschätzung vom aventinischen Gesindel und dünkt sich um einiges besser.
    Wo die Bretterbuden und Holzhütten aufhören, ist der Hügel an vielen Stellen von einem Gewirr tiefer Höhlen durchzogen, die manchem lichtscheuen Gesellen zum Unterschlupf dienen. Wenn sich doch ein Patrizier, ein Ritter oder Senator in dieses dunkle, abgelegene Viertel der Stadt verirrt, dann mag er auf dem Weg zu Locusta sein – Locusta, die berüchtigste Giftmischerin von Rom! Manche Ehe wurde schon durch ihre Phiolen geschieden, mancher Erbe gelangte durch sie vorzeitig zu seinem Nachlass, mancher Nebenbuhler um Ehre und Amt wurde durch ihre Künste beiseite geschafft. Jeder in Rom kennt die alte Hexe, aber keiner würde es zugeben. Man bedient sich ihrer Künste – und schweigt.
    Wie alt dieses Weib sein mag, weiß niemand zu sagen. Schon zu Zeiten des göttlichen Augustus übte sie ihr schändliches, Tod bringendes Gewerbe aus, das jeder verflucht, aber auf das viele nicht verzichten wollen. Augustus, Tiberius, Caligula und auch Claudius, alle Imperatoren kannten sie, alle fürchteten sie, und doch machte keiner von ihnen ihrem Treiben ein Ende. Wusste man denn, ob man sie am nächsten Tag nicht brauchte?
    Keiner mischt so geschickt, keiner

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