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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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die rote Narbe fährt, die sein Gesicht verunziert. Niger schüttelt unwillig den Kopf. »Es ist nicht die Narbe. Ich brauche ein wirksames Mittel, ein Venenum , unauffällig im Geschmack, aber von schneller Wirkung.«
    Ein kurzer Augenblick der Stille, der nur vom Kratzen und Kriechen der Tiere in ihren dunklen Gefäßen gestört wird. Die Augen der Alten leuchten auf. Heilen kann sie, wenn es sein muss, ein Liebeszauber fällt ihr auch nicht schwer, aber jemanden in den Hades zu schicken, gehört zu ihren besonderen Vorlieben.
    »So so ...« Was sie weitermurmelt, bleibt unverständlich. Sie hustet leise und reibt sich in Vorfreude die schwieligen Hände. »Soll es schnell oder langsam wirken, mit viel oder wenig Schmerz? Soll der Empfänger vorher in Bewusstlosigkeit versinken oder die Sprache verlieren? Gibt es einen Vorkoster, den man beachten muss? Soll es im Essen verabreicht werden oder im Getränk? Oder soll es in die Haut eingeritzt oder einem sanften Bad zugegeben werden?«
    Der Hagere muss lachen. »Es gibt einen Vorkoster, aber der spielt keine Rolle. Es soll mit dem Essen verabreicht werden und den Geschmack von Pilzen nicht stören. Es soll nicht zu schnell wirken, aber die Sprache sofort beeinträchtigen.«
    Die Augen der Hexe werden größer. Wer kennt die Vorliebe des Kaisers für Pilzgerichte nicht? Aber sie schweigt. Diskretion ist eine der Grundlagen ihres Geschäfts. Murmelnd erhebt sich die Alte und schlurft zu einem der Regale. Sie nimmt eine kleine Phiole mit rötlichem Inhalt und schüttelt sie, bis der trübe Bodensatz munter durch das Fläschchen tobt. Dann öffnet sie den Wachsverschluss und schnüffelt an dem Inhalt. Die Prüfung fällt zu ihrer Zufriedenheit aus. Sie greift nach einer weiteren Phiole mit einer dunkeltrüben, bläulichen Flüssigkeit und mischt beide. In einer Kiste kramt sie nach Kräutern, bis sie die gewünschten in der Hand hält, und zerreibt sie über der Flüssigkeit. Dabei murmelt sie Formeln und Flüche, die Niger kaum versteht, sie scheinen aus einer anderen Welt zu stammen: Alimbeu colombeu petalimbeu cuigeu censeu mageu diancuraum deasta ... Danach schüttelt sie alles kräftig und riecht an der Öffnung. Der zahnlose Mund grinst.
    »Hier ist es, und Locusta steht – wie immer – für die Wirkung ein. Wenn ich um drei Aurei bitten dürfte!«

    Die Schwester hatte die gleiche Summe gefordert und war dafür gestorben. Über das Gesicht des Hageren zieht ein höhnisches Grinsen – was die Alte falsch versteht.
    »Wir haben nie gefeilscht, Niger. Weißt du, was es in meinem Alter bedeutet, all dies hier zu besorgen? Wirst du an meiner Stelle künftig die Ameisen, Echsen und Insekten fangen, wenn sie über die Leichensteine huschen? Willst du in den Grüften wühlen und den Toten ihre Knochen, Haare oder die Fetzen des Bahrtuches stehlen? Willst du an den dumpfen Orten des Todes den herumlungernden Hunden ihre Fleischstücke abjagen? Oder möchtest du mir helfen, wenn ich aus der Umfassungsmauer des Friedhofes die Steine herausklaube und die daran heftenden Spinnweben sammle? Oder willst du ...?«
    »Genug! Genug!« Niger hebt seine Hände und wehrt lachend ab. »Du sollst deinen Lohn erhalten.« Er zieht seinen Geldbeutel und zahlt die geforderte Summe. Locusta ist eben nicht Antrustra!
    »Was hört man eigentlich von deiner Schwester? Wie hieß sie noch? Arusta, Arnuta oder …?«
    Auf das Gesicht der Alten fällt ein dunkler Schatten. »Antrustra! Seit vielen Jahren hab’ ich nichts von ihr gehört, weiß nicht einmal, ob sie noch lebt. So weit ich weiß, lebt sie in jener Germanenstadt an dem breiten Fluss, ich kann mir den Namen nicht merken. Warum fragst du?«
    »Hat mich nur eben interessiert«, wiegelt Niger ab. Er packt die Phiole vorsichtig in ein Tuch, verbirgt sie in seiner Tasche und verabschiedet sich mit einem flüchtigen Gruß.

XXI.
Unternehmen »Salus Caesari«
    Cassius Iunius Silanus hatte dafür gesorgt, dass sein Zelt weiträumig abgesperrt worden war, um ungebetene Zuhörer auszuschließen, denn alle wussten, dass diese Zusammenkunft lebensgefährlich war, wenn ihr Gespräch nach außen drang. Am Tisch saßen der Legat selbst, neben ihm Decimus Flavius Caecina, der Stunden zuvor seinem Sohn für immer die Augen geschlossen hatte, die Tribunen Marcus Valerius Aviola und sein Freund Gaius Tullius Eximius, außerdem der als kaisertreu bekannte Reiteroberst Aurelius Sabinus und der Quaestor von Colonia Agrippinensium, Faustus Celerinus. Am

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