Ahnentanz
und sah zum Haus hinüber. Überall wimmelten Arbeiter herum, nebenan parkten die zwei Wagen von einer Elektrikfirma und von einem Klempner. Ein Laster von Southern Plaster and Molding fuhr gerade die Auffahrt hoch.
„Glaubt ihr, dass das vielleicht irgendein verrückter Elektriker getan hat?“, fragte Jeremy halb im Scherz.
„Nein, das war jemand von hier, jemand, der wirklich verrückt ist“, erwiderte Aidan. „Welcher Narr glaubt schon, dass er uns dreien mit Voodoo-Puppen Angst machen kann?“
„Vielleicht ein Narr, der das Haus in seine Hände bekommenmöchte. Es ist eine Menge Geld wert, weißt du? Das Haus ist baulich gesehen nämlich in einem guten Zustand“, sagte Zach. Aidan warf ihm einen ungläubigen Blick zu. „Ernsthaft. Ich habe den Bericht des Architekten. Die Reparaturen sind zum großen Teil oberflächlicher Art. Ausbesserungen an den Säulen, und die Elektrik und sanitären Leitungen müssen modernisiert werden. Es muss viel gestrichen werden, und Holzarbeiten fallen an. Doch der Bauleiter hat bereits alles angeschoben. Wir stehen gut da. Vielleicht hat irgendjemand da draußen gehofft, dass das Haus völlig verfallen sei und wir einfach verschwinden und es ihm überlassen. Aber es ist nicht verfallen – und wir verschwinden nicht.“
„Und wir rufen auch nicht die Cops“, sagte Aidan.
„Ich schätze, sie würden uns einfach für Nervensägen halten“, stimmte Zach zu.
„Und es sind ja nur Voodoo-Puppen“, gab Jeremy zu bedenken.
„Aber ziemlich gruselige Voodoo-Puppen, findet ihr nicht?“, fragte Zach.
„Sammeln wir sie auf und tüten sie einzeln ein“, schlug Jeremy vor. „Keiner von uns hat sie angefasst, und vielleicht müssen wir sie irgendwann nach Fingerabdrücken oder anderen Spuren untersuchen. Falls dieser Witzbold ernsthafter werden sollte.“
Aidan war nicht sicher, ob es sich hier nur um einen Witzbold handelte, doch im Prinzip stimmte er seinem Bruder zu. Und er weigerte sich, zu glauben, dass Kendall irgendetwas damit zu tun haben könnte. Auch wenn Jeremy recht hatte und er die gleichen Puppen in ihrem Laden gesehen hatte.
Schließlich wusste er genau, wo sie die ganze Nacht gewesen war.
Sie legten die Puppen vorsichtig in Tüten. Dann wandte sich Zachary an Aidan: „Ich habe ein paar interessante Neuigkeiten für dich.“
„Ach ja?“
„Ich habe ein bisschen recherchiert. Komm mit, ich zeig’s dir.“
Zachary hatte seinen Laptop in dem einzigen Zimmer stehen, in dem sich kein Handwerker aufhielt – Amelias Schlafzimmer.
Immerhin, dieses Zimmer war in Schuss gehalten worden. Es beherbergte ein riesiges Bett in dunklem Mahagoni mit passender Frisierkommode, Garderobe und Nachttischen. Französische Türen führten auf den Balkon, und vor ihnen stand als Kontrast zu dem dunklen Holz ein frisch gestrichener, hellbrauner Korbtisch mit Stühlen, deren Polster zu den Vorhängen und der Überdecke passte. Die Holzdielen waren sauber und poliert, und ein Orientteppich mit einem Blumenmuster bedeckte den Boden. Es war nichts Muffiges an dem Raum, nichts, das auf Alter oder Verfall hindeutete oder darauf, dass ein langjähriger Bewohner hier gestorben war.
Zachary hatte seinen Laptop auf der Frisierkommode aufgebaut.
Aidan und Jeremy zogen die Korbstühle heran und setzten sich links und rechts von Zach vor den Bildschirm. „Ich habe alle möglichen Aspekte verknüpft, um zu dieser Liste zu kommen. Sie reicht ganze zehn Jahre zurück, und sie scheint – mit einer Unterbrechung durch das Chaos nach Katrina – jetzt weiterzugehen, und zwar schlimmer als zuvor.“
Aidan las die Liste, die sein Bruder zusammengestellt hatte. Es gab zehn verblüffende und ungeklärte Fälle von vermissten Personen in der Gegend. Der erste lag zehn Jahre zurück. Der zweite sieben Jahre. Dann fünf Jahre. Dann gab es zwei aus dem Jahr vor dem Hurrikan. Seit Katrina waren es fünf, eingeschlossen Jenny Trent.
Jede der Frauen, die in die Gegend gekommen war und sie nie wieder verlassen hatte, war zwischen zwanzig und dreißig Jahren alt gewesen. Jede war zu einer längeren Reise aufgebrochen. Alle waren Single. Und jedes Mal war ihr Verschwinden erst nach vielen Wochen gemeldet worden, weil sie mit niemandem zusammenwohnten, der sofort reagiert hätte. In zwei Fällen waren die Frauen sogar erst nach mehreren Monaten als vermisst gemeldet worden.
„Wie zum Teufel kann das sein?“, fragte sich Aidan laut. „Joan Crandall verschwand vor zehn Jahren. Sie verließ
Weitere Kostenlose Bücher