Ahoi, liebes Hausgespenst!
noch Bodenschätze, die noch gar nicht ausgeschöpft sind...“
„Aber dann müßte man doch was draus machen können!“ erklärte Monika eifrig.
„Ja, weißt du, die Leute hier sind ziemlich hilflos. Die ursprünglichen Eingeborenen waren Indianer. Sie sind ausgerottet worden oder an Infektionskrankheiten gestorben. Heute besteht die Bevölkerung zu neunzig Prozent aus Nachkommen von Negersklaven. Die waren von den Franzosen aus Afrika geholt worden, um auf den Plantagen zu arbeiten. Anfang des vorigen Jahrhunderts, zur Zeit der Französischen Revolution, konnten sie sich befreien. Die Franzosen verließen das Land, falls sie nicht umgebracht worden waren. Aber danach kam es zu fortgesetzten Bürgerkriegen, zu Kriegen mit der Dominikanischen Republik, Spaltungen und Wiedervereinigungen. Später griffen die USA als Schutzmacht ein, und erst seit Ende des Zweiten Weltkriegs ist Haiti wieder unabhängig. Es versuchte eine Republik zu werden und nennt sich heute auch immer noch so. Aber nach verschiedenen Umstürzen und Unruhen und Streiks hat es jetzt einen Diktator. Er heißt Jean-Claude Duvalier und ist Mulatte. Die ganze Oberschicht in Haiti besteht aus Mulatten, also Mischlingen. Jean-Claude Duvalier hat die Macht übrigens von seinem Vater geerbt.“
„Dann ist er ja so etwas wie ein König!“
„Vielleicht versucht er es auch dem Namen nach zu werden. Anzunehmen ist jedenfalls, daß er versuchen wird, nun seinerseits wieder die Macht seinem Sohn zuzuschanzen.“
„Das klingt ja spannender als eine Abenteuergeschichte!“
„Die Geschichte Haitis ist ja auch wirklich abenteuerlich genug. Du solltest dich mal damit befassen. Ich kann sie dir natürlich nur in Bruchstücken erzählen.“
Große Motorboote kamen vom Land herangetuckert.
„Die Ausschiffung beginnt“, sagte Simon.
„Mein Magen knurrt!“ erklärte Monika. „Ich will mal sehen, was die anderen machen.“
„Kommt doch nach dem Frühstück noch zu mir. Ich werde euch ein paar Gourdes geben.“
„Ich weiß, so nennt man die haitische Währung.“
„Ein Gourde gilt etwa fünfunddreißig Pfennig. Einen Dollar in Gourdes solltet ihr schon jeder dabei haben.“
„Für was?“
„Etwas Kleingeld braucht man immer, wenn man an Land geht. Laß dir das von einem alten Seemann sagen.“
Monika lachte und beeilte sich, nach unten zu kommen. Ingrid war gerade dabei, sich anzuziehen, als sie in die Kabine kam. Monika berichtete alles, was sie erfahren hatte. Aber sie machte damit keinen Eindruck auf die Freundin. Ingrid wußte schon alles oder tat so, als wenn sie alles wüßte. Das ärgerte Monika ein bißchen. Außerdem dauerte es ihr zu lange, bis Ingrid fertig war. Also ging sie schon einmal allein in den Speisesaal. Sie aß eine halbe Ananas und anschließend Eier mit Speck.
Sie wischte sich gerade den Mund ab, als Ingrid sich zu ihr an den Tisch setzte. Sie war sehr schick in ihrem weißen Faltenrock mit zartrosa Blüschen. Monika zweifelte, ob dies die richtige Aufmachung für eine Ausschiffung und einen Besuch auf Haiti war. Aber sie unterdrückte ihre Kritik.
„Gut siehst du aus!“ sagte sie statt dessen.
„Wo steckt Norbert?“
„Vielleicht hat er schon mit seinen Eltern gefrühstückt.“
„Glaube ich nicht.“
„Dann werde ich ihn mal suchen gehen.“
„Du bist immer so unruhig.“
„Ja, sollen wir denn ohne ihn losfahren?“
„Warum nicht? Wenn er verschläft?“
„Ich glaube, du bist heute mit dem linken Fuß aufgestanden.“ Monika lief los und klopfte an die Steinsche Kabine. „Aufstehen, du alter Faulpelz! Aut, aut!“ brüllte sie, woraufhin sich einige Passagiere, die den Gang entlang kamen, nicht gerade freundlich nach ihr umblickten. Dann lief sie zum Zahlmeisterbüro, auf der Wassermann auch Purser’s Office genannt, und ließ sich von Simon das Kleingeld geben.
Vor dem Office traf sie auf Norbert, der, noch ganz verstrubbelt, aus seiner Kabine kam.
„Na endlich!“ rief Monika statt: „Guten Morgen!“
„Hast du mich geweckt?“
„Wer sonst?“
„Gute Frage.“ Norbert rieb sich die Augen.
„Waschen wäre besser“, sagte Monika.
„Zu spät! Ich bin so, wie ich war, in die Hosen gefahren.“ Norbert gähnte. „Mensch, Monika, ich bin dir wirklich dankbar.“
„Nun übertreib mal nicht!“
„Wie ich meine Eltern kenne, hätten sie mir bis ans Lebensende vorgeworfen, wenn ich verschlafen hätte. Soll ich dir mal was sagen? Ich bin sicher, die haben sich heute früh so leise
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