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Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Original gewesen war, war verschwunden. Er sah wieder zu Aida, die sich jetzt bei ihm bedankte und ihn mit einem Applaus entließ. Dabei zwinkerte sie ihm zu. Anschließend legte sie einen Arm um den Schriftsteller und verdonnerte diesen dazu, noch bei ihr auf der Bühne zu bleiben. Plotek drängte sich durch die Zuschauerreihen in den Hintergrund zurück. Er war zum einen restlos bedient. Zum anderen ob der olfaktorischen Offenbarung auch höchst verwirrt. Sicher, die Möglichkeit, dass dieses Parfüm sowohl von Neptun als auch Aida getragen wurde, war nicht so abwegig. Es handelte sich immerhin um ein gängiges Duftwässerchen, das bestimmt in hunderttausendfacher Ausführung seinen würzig frischen Geruch versprühte. Und doch: An Zufälle wollte und konnte Plotek schon lange nicht mehr glauben. Neptun war Aida! Und diese Person steckte hinter den Verbrechen. Auch hinter Vinzis Verschwinden. Davon war Plotek jetzt überzeugt.
    Wieder ganz hinten im Panoramasalon angekommen, überlegte er bereits, wie er Aida um ein Uhr auf dem Panoramadeck zur Strecke bringen konnte. Während die sich wiederum auf der Bühne in einer Hypnosenummer am Schriftsteller abarbeitete. Sie bewegte ihre Hände in weichen Bewegungen vor dem Gesicht des Schriftstellers hin und her, der dadurch immer lethargischer und willenloser wirkte. Oder: noch debiler als zuvor. Sie strich schließlich über seine Augenlider, so dass diese zufielen. Der Schriftsteller schien tatsächlich hypnotisiert. Er antwortete langsam, sehr schleppend auf Aidas Fragen.
    »Wo befinden Sie sich?«
    »In der Vergangenheit.«
    »Wo genau?«
    »Auf einem Schiff.«
    »Und was sehen Sie?«
    »Einen Politiker, einen Theatermann, einen Fußballer und einen Pfarrer. . .«
    Plotek horchte auf.
    »Was passiert mit ihnen?«
    »Sie sind tot.«
    Raunen im Zuschauerraum.
    »Und Sie?«
    »Ich bin . . . ich bin . . .«
    »Ja?«
    »Der Mörder?«, flüsterte der junge bleiche Mann wie verwirrt. Wieder Raunen. Als ob das Fragezeichen ein Ausrufezeichen gewesen wäre. Entweder stecken Aida und der Schriftsteller unter einer Decke, dachte Plotek, oder der Schriftsteller hat tatsächlich die Chuzpe, Aida und ihrer Hypnoseshow eine Nase zu drehen. Ich ist ein anderer, dachte Plotek und verließ den Panoramasalon, während Aida schnippte und der Schriftsteller die Augen wieder aufschlug.
    Es war jetzt eine halbe Stunde nach Mitternacht. Die MS Finnmarken hatte gerade eben den Hafen von Båtsfjord verlassen. Plotek saß auf dem Bett in seiner Kabine. Er nahm einen großen Schluck aus der Aquavitflasche, die er sich zuvor an der Bar besorgt hatte, und dachte: Jetzt wird es aber Zeit. Er stand auf und legte das herausnehmbare Schaumstoffseitenteil des Sofas auf die Sitzfläche des Rollstuhls. Dann stopfte er ein Kopfkissen hinzu und modellierte daraus eine an Vinzi erinnernde Figur. Was ihm erstaunlich gut gelang. Anschließend lauschte er an der Tür. Als er nichts hörte, öffnete er sie und schob den Rollstuhl auf den Flur von Deck 5 und sich hinterher, um dann zügig zum Aufzug zu eilen. Er fuhr hoch zu Deck 8. Dort war niemand zu sehen. Die Zaubershow im Panoramasalon war längst zu Ende, das Schiff wieder auf der Barentssee unterwegs. Die Passagiere lagen längst in ihren Betten. Plotek öffnete die Glastür und schob den Rollstuhl hinaus in die schummrige Dunkelheit des Außendecks. Es war kalt, windig und wolkig. Aber immerhin regnete es nicht mehr. Der Himmel war auch in dieser Nacht nicht richtig dunkel, sondern hing wie ein schmutziger Lappen über dem Schiff. So schmutzig, dass auch Urs Eschenbach es offenbar vorzog, die Nacht in seiner Kabine zu verbringen. Plotek sah ihn jedenfalls nirgendwo und auch sonst niemanden. Vorsichtig arbeitete er sich mit dem Rollstuhl an den zum Teil übereinandergestapelten Liegestühlen vorbei in Richtung Heck vor. Ganz am Ende, jenseits des großen Schornsteins der MS Finnmarken, stellte Plotek den Rollstuhl zum Meer hinaus gerichtet an der Reling ab und zog die Bremsen fest. Von hinten sahen die Sofalehne und das Kissen tatsächlich wie ein in sich zusammengesunkener Mensch ohne Beine aus. Wie einer, der selbstvergessen, vielleicht etwas melancholisch, auf den nächtlichen Ozean blickt. Wie Vinzi eben. Es war jetzt kurz vor ein Uhr. Keine Spur von Neptun. Für Plotek war klar, dass, wer auch immer kommen würde, nur vom Bug her über das Deck in Richtung Rollstuhl gelangen konnte. Da er auf der Steuerbordseite platziert war, musste derjenige, wenn

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