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Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Kuss. Sogar ziemlich lange. So lange, dass nicht nur Herlinde ihn bemerken musste, sondern auch alle anderen. Danach raunten einige. Mausi und Bärli Weber klatschten. Swantje pfiff durch die Finger. Während Ruedi Eschenbach alles gnadenlos filmte. Auch die anschließende Reaktion von Herlinde. Sie schoss auf die beiden zu, so, wie eine dieser modernen Wegelagerinnen, auch als Politessen bekannt, zwischen zwei geparkten Autos hervorstürmt, und verpasste Plotek eine saftige Ohrfeige. Ohne ein einziges Wort zu sagen. Anschließend verdrückte sie sich in den Bus. Noch eine halbe Stunde später waren ihre vier Finger als rote Flecken auf Ploteks Wange zu sehen.
    »Danke!«, sagte Paula. Sie setzte sich auf der Rückfahrt zu Urs Eschenbach. Während Plotek alleine auf der Rückbank saß, was ihm gar nicht unrecht war. Er musste über Vinzis blutiges Taschentuch nachdenken.

12
    Im Panoramasalon Brotoppen war der Teufel los. Während es draußen regnete und stürmte, war die Stimmung drinnen heiter bis gesellig. Sogar extrem gut gelaunt. Der Grund war die Zauber – und Spektakelshow von Aida, die auf einer kreisförmigen Fläche in der Mitte des Salons stattfand. Aida trug eine rote Halbmaske über dem Mund und einen ebenso roten Umhang. Darunter einen einteiligen, rot schimmernden Hosenanzug. Zuerst jonglierte sie mit drei Bällen. Dann mit vier. Sie spuckte Feuer und fuhr auf einem Einrad im Kreis herum. Alles mutete wenig aufregend und wie solide Kleinkunst ohne schweißtreibenden Faktor an. Eher von der billigen Sorte. Taschenspielertricks wie zum Beispiel der nach der Suche einer verschwundenen Karte in einem Spielkartenstapel. Der so alt war, dass er schon Schimmel ansetzte. Tricks mit Streichhölzern. Mit Münzen, die in Ohren verschwanden und aus Nasen wieder auftauchten. Alles schon mal gesehen und leicht zu durchschauen. Die Zuschauer saßen um Aida herum und staunten dennoch. Womöglich deshalb, weil endlich einmal einer der endlosen Abende mit Unterhaltung und Abwechslung gefüllt wurde. Für die jubelnden Reaktionen reihum war aber vor allem Aida selbst verantwortlich. Von ihr, nicht von ihren Tricks, ging eine eigentümliche Faszination aus. Mit tänzerischen Bewegungen und begleitet von sphärischer Musik aus der Konserve schuf sie bei gedimmtem Licht eine Stimmung, die die Zuschauer tatsächlich in ihren Bann zog. Also mehr die Show als die Zauberei.
    Plotek hielt sich im Hintergrund und möglichst weit entfernt von der Bühne auf, weil er ganz genau wusste, dass bei derartigen Kleinkunstveranstaltungen die Zuschauer gerne mal zum Mitmachen verdonnert werden. Er hatte wirklich keine Lust, für eine mittelprächtig begabte Zauberkünstlerin, die viel besser aussah, als sie zaubern konnte, den Deppen zu machen. Und tatsächlich, schon nach den ersten Einlagen musste ein Zuschauer dran glauben. Es war offenbar ein probates Mittel, auf Kosten Ahnungsloser ein paar Lacher zu ernten und somit die eigene laienhafte Darbietung zu kaschieren. Die Erste, die es traf, war Mausi Weber. Sie saß ganz vorne an der Bühne neben ihrem Mann. Beide in völlig identischen pastellfarbenen Trainingsanzügen. Zuerst sträubte sie sich noch ein wenig. Nach dem rhythmischen Klatschen der übrigen Zuschauer blieb ihr aber gar nichts anderes übrig, als sich von Aida an der Hand nehmen und mit hochrotem Kopf auf die Bühne begleiten zu lassen. Wo sie von ihr wie ein Vorschulkind mit glänzenden Wangen auf einem Stuhl platziert wurde. Ein Fest für Ruedi Eschenbachs Digitalkamera. Herlinde Vogler-Huth verbalisierte einmal mehr ihre Aufregung für alle um sie Herumsitzenden mit einem zitternden »Ich bin so aufgeregt!«. Paula hingegen lümmelte sich gelangweilt in den hinteren Reihen und gähnte ab und zu auffällig. Hubertus C. Bruchmeier wiederum war, offenbar schon ziemlich betrunken, im Drehsessel an der Glasfront eingeschlafen und lag mehr, als dass er noch saß. Der blasse Schriftsteller, der stolz sein blaues Auge, über dessen Ursache er nur in mysteriösen Andeutungen sprach, wie eine Trophäe präsentierte, stand in seinem zerknitterten Anzug neben Plotek an der Tür und schien sich für die Zauberkunst nicht so richtig erwärmen zu können. Für Aida auch nicht. »Lassen Sie sich nicht täuschen«, sagte er zu Plotek. »Nichts ist, wie es scheint.« Er grinste wieder vielsagend und abgründig. »Oder: Ich ist ein anderer.« Dann lachte er wie über einen ganz besonders obszönen Witz. »Und Sie auch!« Er zeigte auf

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