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Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Flur lag der Schaffner. Die Arme und Beine weit von sich gestreckt, als hätte er die Nacht auf dem Boden verbracht. Bei näherer Betrachtung konnten die beiden erkennen, dass er ohnmächtig war.
    »Was ist denn mit dem?«
    »Freundlich, aber nicht standhaft!«
    Die Tür des Abteils nebenan war nur angelehnt. Auf dem Boden davor im Zuggang glänzte eine kleine rote Pfütze.
    »Ist das. . .?«
    Während Plotek sich um den Schaffner kümmerte und ihm mit der flachen Hand mehrmals auf die spitzen Koteletten schlug, schob Vinzi die Tür des anderen Abteils ein Stück weit auf. So weit, bis sie nach nur zwanzig Zentimetern gegen einen Widerstand stieß. Sie ließ sich, auch mit viel Kraft nicht weiter öffnen. Vinzi streckte seinen Kopf durch den Spalt.
    »Scheiße!«
    Der Schaffner kam zu sich. Zwischen den Koteletten war er ganz blass.
    »Wo bin ich?«
    »Guten Morgen. Wir sind gleich in Malmö«, sagte Plotek und blickte zu Vinzi. Er half dem Schaffner wieder auf die Beine. Der wandte sich sofort vom Abteil ab und sagte »Ich hole Hilfe!«, wie wenn man sagt: »Ich hole meinen Blutspendeausweis.«
    Plotek drehte sich zu Vinzi um.
    »Scheiße.«
    Was Plotek durch den Türspalt sehen musste, war gar nicht schön. Die blonde Uma Thurman lag auf dem Boden in einer großen Blutlache. Vom Weiß des Nachthemds war nicht mehr viel übrig. Auch ihre Haare waren jetzt rot.
    »Da kommt jede Hilfe zu spät.« Es schien wie eine Replik auf den Schaffner.
    Die beiden starrten auf die Leiche, in einer Mischung aus Faszination und Abscheu. Die kleinen Brüste zeichneten sich unter dem blutgetränkten Stoff deutlich ab. Das Nachthemd war an den seltsam verdrehten Beinen bis zum Bauch hochgerutscht. Das haarlose Geschlecht sah so frisch, jungfräulich und lebendig aus, als würde es über das Leben hinaus dem Tod trotzen. Die weit geöffneten Augen der Frau blickten die beiden starr, aber auch vorwurfsvoll an. Dabei hatte Plotek plötzlich für einen Moment den Eindruck, sie zwinkerte ihm zu.
    »Eine schöne Leiche«, sagte Vinzi, wie wenn man sagt: »Ein schöner Sonnenuntergang«.
    Plotek nickte betrübt.
    »Was machen wir jetzt?«
    »Nichts wie weg.«
    »Aber wir müssen doch warten, bis die Polizei. . .«
    »Eben! Was meinst du, was hier los ist, wenn die auftaucht?«
    Plotek dachte nach. Kam aber nicht drauf.
    »Das dauert Stunden. Befragungen, Vernehmungen, das ganze Programm, verstehst du?«
    Als ob es Plotek noch immer nicht kapieren würde, fügte Vinzi hinzu: »Unser Anschlusszug nach Göteborg fährt in einer halben Stunde.« Er deutete zum Fenster hinaus. Der EuroNight fuhr gerade in den morgendlichen Zentral-Bahnhof von Malmö ein.
    »Wenn wir hier warten, können wir die Hurtigruten vergessen.«
    Da hatte er Recht.
    »Und wer will das schon?!«
    Darüber brauchten sie nicht nachzudenken.
    »Ich nicht«, kam es von Vinzi.
    »Ich auch nicht«, von Plotek.
    Vinzi zerrte den Rollstuhl aus dem Abteil. Plotek holte das Gepäck von der Ablage.
    »Gehen wir.«
    »Gehen wir.«
    Der Zug hielt an. Der Schaffner, der mittlerweile in Begleitung von weiterem Zugpersonal bei der Toten zurück war, bekam Vinzi und Plotek nicht mehr zu Gesicht. Sie waren schon ausgestiegen. Mit ihnen eine Menge anderer Fahrgäste. Und ein Hund. Ein dreibeiniger Hund. Der Hund heftete sich, akrobatisch hüpfend, an die Fersen der beiden. Während er seine Leine hinter sich herzog. Und wich nicht mehr von ihrer Seite.
    »Was will der denn?« Plotek sah verächtlich auf den komisch hoppelnden Hund hinunter.
    »Der will mit«, stellte Vinzi fest. »Ist das nicht der Hund der Leiche?«
    Der Hund sah aus, als wollte er mit seinem wackelnden Kopf die Frage eindeutig bejahen.
    »Hau ab!« Plotek trat mit dem Fuß nach ihm. Aber denkste. Der Hund wich geschickt, fast tänzelnd, aus. Er kommentierte den Angriffs Ploteks mit einem gereizten Bellen und folgte den beiden unverändert.
    Als Plotek und Vinzi in der Bahnhofshalle an der Anzeigetafel nach dem Anschlusszug Ausschau hielten, kam ihnen das erwartete, von Vinzi vorhergesehene »ganze Programm« entgegen: Polizei, Notarzt, Sanitäter. Ein aufgeregtes Tohuwabohu zog die Blicke auf sich. Nur der Hund ließ sich nicht davon beeindrucken. Als Plotek erneut nach ihm trat, wich er ein weiteres Mal geschickt aus.
    »Scheißköter!«, fluchte Plotek. Was Vinzi belustigte. Die Hartnäckigkeit des Vier- respektive Dreibeiners sowie die Geschmeidigkeit seiner Fortbewegung, trotz oder gerade wegen seiner Behinderung,

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