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Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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enge Kabine an Vinzi, der wieder unergründlich brummte, vorbei bis zur Tür und öffnete sie. Vor der Tür stand aber kein Steward, der geduldig auf Plotek wartete. Vor der Tür stand niemand. Auf dem Boden hingegen lag ein Teller. Darüber war eine silberne Servierhaube aus glänzendem Metall gestülpt. Plotek bückte sich und hob den Teller mitsamt der Haube hoch. Er nahm beides mit in die Kabine und schloss die Tür wieder hinter sich. Er stellte das Frühstück auf den Schreibtisch und trat zum Pissen in die Toilette. Das Brennen in der Harnröhre, das er seit Wochen nach dem Aufwachen ab und an spürte, war wieder da.
    Jetzt muss man wissen, dass Plotek von Geburt an Hypochonder war. Da breitete sich so ein leichtes Brennen in der Harnröhre gleich mal zu einem Feuer aus. Einem Waldbrand quasi. Der nicht nur die Harnröhre ruinierte, sondern den ganzen Unterleib. Auch Leib. Ob das die ersten Anzeichen einer Vergrößerung der Prostata sind, dachte Plotek. Das Alter für eine derartige Erkrankung hatte er mittlerweile erreicht. Ab vierzig aufwärts kam nun mal die nächste Krebsbedrohung für den Mann im besten Alter neben Lunge, Magen, Darm: Prostatakarzinom. Und nicht zu unterschätzen, war er doch immerhin die dritthäufigste Todesursache bei Männern in Deutschland. Von wegen bestes Alter. Das dachte Plotek, während er unter leichten Schmerzen zusah, wie sein Urin die weiße Kloschüssel tiefgelb einfärbte. Der Hund hatte sich nun auch erhoben und wartete in der Tür. Er legte den Kopf schräg zur Seite und schaute Plotek beim Urinieren zu. Er winselte, als hätte er ein ähnliches Bedürfnis.
    »Geh zu Vinzi«, murmelte Plotek schlecht gelaunt. »Der ist für dich zuständig.«
    Dabei musste er mehrmals aufstoßen. Wieder brummte Vinzi von seinem Bett aus. Unklar, was das zu bedeuten hatte.
    Plotek ließ sich auf den Stuhl am Schreibtisch nieder, betrachtete die silberne Servierhaube, als wäre es ein Atompilz, und gähnte. Auf dem Metall der Haube spiegelte sich sein Gesicht. Verzerrt, als wäre es eine hinterhältige Fratze. Eine Grimasse, die ihn irgendwie an Adolf Hitler ohne Bart erinnerte. Wer will schon an den Führer erinnert werden? Auch noch vor dem Frühstück? Plotek nicht. Er bewegte seinen Kopf ein wenig, so dass sich das verzerrte Spiegelbild veränderte. Jetzt sah er aus wie. . . Joseph Goebbels! Verflucht. Erneut veränderte er die Kopfstellung. Was wiederum ein anderes Spiegelbild zur Folge hatte: Hermann Göring! Und so weiter. Die ganze Nazi-Elite tauchte auf der Servierhaube auf. Der Hund saß neben dem Schreibtisch und sah Plotek an, als hätte der nicht mehr alle Tassen im Schrank.
    »Was ist jetzt mit dem Kaffee?«
    Plotek fiel ein Stein vom Herzen, so groß wie das Tausendjährige Reich, weil Vinzi ihn aus diesem Spiegelhorrorkabinett befreite. Er hob die Servierhaube an. Woraufhin die Spiegelbilder sofort verschwanden. Plotek verharrte. Einerseits erleichtert. Andererseits verwirrt. Unter der Haube lagen nämlich weder Brötchen noch Ei, Kaffee, Marmelade oder dergleichen. Auf dem Teller lag nichts. Wobei das auch nicht ganz stimmte. Denn in der Mitte des Tellers lag ein schwarzes quadratisches Teil. Ganz flach, in der Größe einer halben Postkarte. Es sah aus wie ein umgedrehtes Polaroidfoto, nein, es war ein umgedrehtes Polaroidfoto. Plotek wendete es vorsichtig. Ein weiteres Mal verharrte er. Jetzt gar nicht mehr erleichtert. Nur noch verwirrt. Und entsetzt. Was er sah, verschlug ihm den Atem. Augenblicklich hatte er nicht mehr nur ein mulmiges Gefühl im Bauch, sein Magen stülpte sich wie ein Gummihandschuh um. Alles, was sich darin befand, brach in hohem Bogen aus ihm heraus. Aus seinem Mund. Bloß gut, dass er die Tür zur Toilette hatte offen stehen lassen. So war er mit nur einem Schritt am Klo und konnte, über die Schüssel gebeugt, seinen Mageninhalt vertrauensvoll und mit standesgemäßen Geräuschen der Schiffskanalisation überlassen.
    Jetzt muss man wissen, dass es fast nichts gab, was Plotek aus seiner Ruhe, manche würden sagen: seinem Phlegma, herausreißen konnte. Die schrecklichsten Bilder, der furchtbarste Horror hatten bei Plotek normalerweise keine ernstzunehmenden Folgen. Also Magenverstimmung, Übelkeit oder gar Kotzen. Weder bei Katastrophenbildern, Attentatsopfern noch bei Verstümmelten aus dem Fernsehen. Nicht einmal ein leibhaftiger Toter vermochte Ploteks Gefühlshaushalt durcheinanderzuwirbeln. Manchmal geschah sogar das Gegenteil. Als er zum

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