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Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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gleichzeitig verharrten. Ploteks Faust war jetzt eine Handfläche. Die von Vinzi drei ausgestreckte Finger. Vinzi lachte.
    »Schere schneidet Papier.«
    Was Plotek mit »Verdammt!« beglaubigte.
    Während Vinzi seinen Blick abwendete, vorsichtshalber auch noch die Hand vors Gesicht hielt, hob Plotek langsam die Servierhaube an. Er blickte auf den Teller. Und der Teller blickte zurück. Im wahrsten Sinne. Der Teller hatte Augen. Menschliche Augen. Blaue Augen. Auf dem Teller lagen zwei menschliche blaue Augen und sahen Plotek neugierig an. Auch Vinzi. Der jetzt seinen Blick ebenfalls auf den Teller richtete.
    »Scheiße!«, kam es synchron aus beiden Mündern. Keiner der beiden musste sich allerdings übergeben. Entweder hatten sie sich an das Grauen schon gewöhnt. Oder menschliche Augen haben nicht das Gruselpotential eines Gekreuzigten mit schwarzen Augenhöhlen.
    »Die Augen von . . .«, sagte Vinzi.
    Plotek musste gar nicht nachdenken: ». . . Augustin!«
    Natürlich hätten sie jetzt die Haube wieder über den Teller stülpen können. Aber vergiss es. Plotek legte die Haube auf den Tisch. Beide betrachteten die Augen des Pastors, als wären es Münder und könnten sprechen.
    »Das ist doch pervers!« Plotek sagte es leise, fast zärtlich, als sprächen die Augen respektive Münder jetzt tatsächlich zu ihm.
    »Oder ein Ritual«, meinte Vinzi.
    »Ein Ritual?«
    »Ja, ein tödliches Ritual. Ein mörderischer Kult.«
    »Hmm.«
    »Aussehen. Sehen. Augen. Das hat alles etwas zu bedeuten! « Vinzi versuchte, den Blick nach wie vor auf die Augen gerichtet, sich in dieselbigen hineinzuversetzen.
    »Aber was?« Plotek gelang das nicht ganz so gut.
    »Augen!«, sagte Vinzi, so wie man »Halleluja!« sagt. »Jemand sieht mit den Augen von Toten.« Er begann nun immer wilder zu assoziieren. »Die toten Augen betrachten uns, als wollten sie uns etwas sagen. Die Augen auf etwas werfen, richten. Ein Blick, ein Augen-Blick, als Hinweis, der uns etwas Augen-Scheinliches zeigt. . .«
    »Aber was?« Plotek stand noch immer auf dem Schlauch. Zumindest im Augenblick.
    »Wenn ich das wüsste.« Auch Vinzi war von seinem Assoziationsausflug wieder zurück. Ernüchtert.
    »Vielleicht ist es ja auch nur ein stinknormaler Perverser, der andere gerne quält«, spekulierte Plotek wieder leise und zärtlich vor sich hin. »Die einen zu Tode. Und die anderen mit dem Anblick seiner Perversionen.«
    » Glaube ich nicht.«
    »Glauben. Dafür war der Pastor zuständig.«
    »Hat ihm auch nichts geholfen.«
    »Stimmt.«
    »Und was machen wir jetzt mit denen?« Plotek zeigte respektvoll auf die Augäpfel, als würde er auf eine königliche Brosche zeigen. Auf einen Orden. Bundesverdienstkreuz, Held der Arbeit und alles.
    Vinzi nahm eine Plastiktüte aus dem Netz seines Rollstuhls. »Na, rein damit!«
    Er hielt die Tüte auf. Plotek nahm den Teller und ließ die Augen hineinkullern. Dabei sahen sie ihn vorwurfsvoll an. So kam es ihm zumindest vor.
    »Und was machen wir damit?« Plotek war erleichtert, die Dinger nicht mehr sehen zu müssen.
    »Mal sehen.« Vinzi zwinkerte mit seinem rechten Auge. Plotek zwinkerte mit dem linken zurück.
    Der groß gewachsene Steward, der seine blonden Haare mit reichlich Gel am Kopf fixiert hatte, trug ein weißes Hemd mit Achselklappen und seit ein paar Minuten einen scheelen Ausdruck im Gesicht. Obgleich er lächelte. Wie das geht? Keine Ahnung. Vermutlich Übung. Der Steward lächelte immer. Alle Stewards auf dem Schiff lächelten. Auch die Stewardessen. Das gehörte offenbar zum Anforderungsprofil und zu ihrer Grundausstattung. Wie die Achselklappen auf dem Hemd und die Krawatte um den Hals. Wahrscheinlich wurden sie zu einem Workshop mit Administrativ-Coaches zwangsverpflichtet. In einem Trainingslager für freundliches Benehmen und betoniertes Lächeln von Kontinentaleuropäern ausgebildet. Nichts gegen Freundlichkeit, dachte Plotek. Aber wenn man das Gefühl nicht loswird, das Lächeln im Gesicht des anderen hat mehr mit einer Unterkieferzerrung zu tun als mit einem emotionalen Ausdruck, dann geht einem diese Freundlichkeit ziemlich schnell auf die Eier.
    Der Steward scrollte durch die Passagierliste im Computer. Noch immer lächelnd, als plane er seinen nächsten Urlaub mit der Familie in den Bergen. Er schüttelte dabei immer auffälliger den Kopf. Ohne dass sein Lächeln verschwand.
    »Welche Kabinennummer, sagten Sie?«
    »644.«
    Wieder scrollte er. Er fuhr mit dem Zeigefinger auf dem Bildschirm die

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