Ahoi Polaroid
wurden.
»Huhu!«, klang es mit postkoitalem Timbre über ihnen. Ätzend.
O nein, auf Deck 8 erkannten sie Herlinde Vogler-Huth in einem Bikini und mit ledrig brauner Haut an einer Staffelei. Sie winkte ihnen mit einem Pinsel in der Hand zu. Sie lachte das Lachen einer Physiotherapeutin, die fest davon überzeugt war, im Körper einer frühexpressionistischen Malerin zu stecken.
»Meinetwegen brauchen Sie nicht rot zu werden«, rief sie, was weder Vinzi noch Plotek richtig einzuordnen vermochten.
»Hä?«
»Was meint die?«, fragte Plotek leise. Aber als er Vinzi ansah, wusste er es dann auch schon. »Verdammt!«
Noch ehe Vinzi fragen konnte, was denn so erschütternd war, erschrak er seinerseits beim Anblick Ploteks.
»Verflucht!«
Beide spürten jetzt das Brennen im Gesicht. Es fühlte sich an, als hätten sie ihren Kopf in ein Nesselfeld getaucht. Über Stunden.
»Sie haben doch nicht etwa einen Sonnenbrand?«, wurde es von Herlinde Vogler-Huth über die Reling geschleudert, in einer Mischung aus Schadenfreude und aufrichtiger Belustigung. »Die Sonne hier ist heimtückisch, die Reflexionen, das Wasser. . .«
Alles andere verstanden sie nicht mehr, da sie von ihren Liegen hochsprangen, als befänden sie sich auf der Flucht. Sie wollten sich schnellstens in ihrer Kabine verschanzen.
Dort war dann, mit Blick in den Spiegel, die Katastrophe perfekt. Das war schon kein Sonnenbrand mehr. Das war eine Tragödie! Ihre beiden Gesichter leuchteten krebsrot. Wie Ampeln. Wie Pavianärsche.
»Verdammt!«
Zusätzlich zum Brennen bemerkten die beiden jetzt, wie eine nicht zu verleugnende Übelkeit über sie kam. Eine, die aber weniger von der Seekrankheit herrührte, sondern auf einen kapitalen Sonnenstich zurückzuführen war. Sie legten sich mit zitternden Knien und leichtem Schüttelfrost auf die Betten, ließen das Abendessen ausfallen und wagten sich nicht mehr aus der Kabine. Bis zum späten Abend.
Als es vor dem Bullauge längst dunkel war, standen sie schließlich auf. Die Übelkeit hatte ein wenig nachgelassen. Das Brennen war unverändert. Als Vinzi die Augen im Rollstuhlnetz aus der Plastiktüte nehmen und im Kühlschrank Zwischenlagern wollte, musste er mit einem Riesenschreck feststellen, dass sie verschwunden waren.
»Wo sind die denn jetzt hin?«
»Der Hund?«, fragte Plotek.
»Quatsch!«
»Wer dann?«
»Keine Ahnung«, sagte Vinzi, und Plotek ging in Gedanken alle infrage kommenden Personen durch. Vinzi auch. Bis Plotek schließlich »Vielleicht unsere Uma Thurman?« fragte. Vinzi erinnerte sich an die blonde Frau, die sie zu Beginn der Reise an der Reling entdeckt hatten. »Hmm«, machte er wenig überzeugt, schüttelte den Kopf und hob gleichzeitig die Schultern.
Die Bar Floybaren auf Deck 4 war gegen 22 Uhr wieder gut besucht. Dieses Mal saß sogar eine Pianistin am schwarzen Flügel in der Ecke des Raumes und spielte vor allem Lovesongs von Elton John bis Little Richard. Neben Swantje, die erneut von mehreren Herren umringt am Tresen hockte, darunter Steffen Sailer, auf dessen Motivkrawatte diesmal Wicki und die starken Männer abgebildet waren, und Lars Kuhlbrodt, der seine Sonnenbrille in den Haaren geparkt hatte, war an diesem Abend auch Herlinde Vogler-Huth anwesend. Sie hatte ein einteiliges weißes Kleid an, das nicht nur ihre mahagonibraune Haut unterstrich, sondern auch die kleinen Brüste dermaßen Richtung Schlüsselbein quetschte, dass sie dem Betrachter gleich in die Augen zu springen drohten.
Plotek und Vinzi wurden mit großem Hallo begrüßt. Wobei sich Kuhlbrodt eine abfällige Bemerkung über ihre Gesichtsfarbe natürlich nicht verkneifen konnte.
»Na, zu tief ins Dekollete geglotzt?«, fragte er mit einer leichten Kopfbewegung zu Swantje, die an diesem Abend wieder ein Kleid trug, das eigentlich unter das Waffenschutzgesetz fiel. Kuhlbrodt lachte übers ganze Gesicht.
»Nee, in Ihren Stringtanga«, entgegnete Vinzi trocken. Woraufhin vor allem Herlinde Vogler-Huth lauthals lachte und Kuhlbrodt das Lachen verging. Seine Gesichtsfarbe orientierte sich jetzt an der von Plotek und Vinzi. Steffen Sailer sagte immer wieder begeistert: »Der war gut! Der war gut!«, bis Kuhlbrodt ihm völlig entnervt mit »Ja, wir wissen es jetzt!« über den Mund fuhr.
Swantje widmete sich nun auffällig engagiert Vinzi. Als würde sie sich über den Mitleidsbonus hinaus tatsächlich für ihn interessieren. Was Vinzi offenbar so zu verunsichern schien, dass er nicht nur
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