Aibon-Teufel
darauf an, wie man es sieht. Wer will, der kann schon etwas damit anfangen.«
»Ha, das hätte ich dem alten Harold gar nicht zugetraut.«
»Ja, ja, manchmal sind es die Unscheinbaren, die im Leben oft ihre Zeichen setzen.«
»Das stimmt.«
Ich bedankte mich für die Auskünfte und ging zu Maxine, die mich anlächelte. Sie hatte unser Gespräch gehört und meinte: »Jetzt hast du aber was in Bewegung gesetzt.«
»Wieso?«
»Tu nicht so unschuldig. Versicherung! So was verbreitet sich schnell wie ein Lauffeuer.«
»Wie auch immer. Ich bin dafür, dass wir dem Totenacker einen Besuch abstatten, und danach sehen wir weiter.«
»Hoffentlich...«
***
»Kann ich denn aussteigen, wenn wir auf dem Friedhof sind?«, fragte Carlotta.
»Mal sehen.«
»Mann, ich fühle mich wie im Knast.«
Maxine lachte. »Ich glaube, du hast noch keinen Knast erlebt.«
»Will ich auch nicht.«
Der kleine Ort lag hinter uns und wir rollten jetzt dem freien Feld entgegen. Die Ausläufer der Berge hatten wir erreicht, denn von hier aus stieg das Gelände leicht an. Es wurde zwar nicht bergig, das begann später, aber die Frau vom Laden hatte sich nicht geirrt. Der Friedhof war tatsächlich so etwas wie ein Totenacker, und die wenigen Grabsteine und Kreuze wuchsen aus der etwas schrägen Fläche hervor. Wir sahen weder einen Zaun noch eine Mauer, und so etwas wie eine Leichenhalle gab es ebenfalls nicht. So konnten wir mit dem Wagen recht nah an die Grabsteine heranfahren.
Beim ersten Hinschauen hatten wir den Friedhof leer gesehen. Beim zweiten nicht, denn wir sahen etwas, das bisher hinter einem großen und leicht schief stehenden Grabstein verborgen gewesen war.
In einem Grab bewegte sich etwas. Nein, das war ein Irrtum. Die Bewegung fand neben dem Grab statt. Dort stand ein Mann und schaufelte Erde in das Loch.
»Wetten, dass es Holbrook ist, John?«
»Ja.«
»Und warum macht er das?«
»Wir werden ihn fragen.«
Ich stieg aus. Auch Maxine öffnete ihre Tür. Carlotta wollte mit uns gehen, musste aber weiterhin im Auto bleiben, was sie natürlich ärgerte und sie davon sprechen ließ, dass sie kein kleines Kind mehr war.
Holbrook arbeitete weiter. Er tat auch jetzt noch, als wären wir Luft. Dabei musste er uns gesehen haben, und auch als wir hinter ihm stehen blieben, drehte er sich nicht um.
»Mr. Holbrook?«, fragte ich.
Er gab keine Antwort.
»Mr. Holbrook, was tun Sie hier?«
»Hauen Sie ab. Lassen Sie mich allein. Ich will keinen Menschen sehen.«
Ich hatte ihn reden lassen und war dabei bis dicht an das Grab herangetreten. So konnte ich besser hineinschauen. Der Mann musste noch viel Erde hineinschaufeln, um es zu füllen. Er arbeitete noch nicht lange, denn das dunkle Sargholz schimmerte noch durch.
Wen begrub er da?
Ich drehte mich halb zu ihm herum. »Hören Sie endlich auf!«
Er schwieg. Dann stieß er wieder die Schaufel in den Lehmhaufen, um erneut eine Ladung in das Grab zu schleudern. Diesmal war ich schneller. Bevor er die Schaufel hervorziehen konnte, hatte ich schon zugegriffen und hielt sie fest.
Zuerst schaute er erstaunt. Dann stieß er ein Knurren aus und holte mit der Rechten aus.
Ich war schneller. Er hatte seine Faust noch nicht in meine Richtung geschickt, da stieß ich beide Hände gegen seine Brust. Er verlor das Gleichgewicht, kippte nach hinten und riss dabei seine Arme hoch. Mehr Halt brachte ihm das auch nicht, und er konnte sich nicht mehr halten. Mit seinem Hinterteil zuerst landete der schwere Mann auf dem flacher gewordenen Lehmhügel.
Er sah mich mit der Schaufel vor sich stehen und glotzte mich an wie ein Weltwunder.
Ich nickte ihm zu. »Das hätten Sie sich ersparen können, Mr. Holbrook. Sie sind es doch, oder?«
Er nickte.
»Sehr gut.«
»Was wollen Sie?«
Ich deutete auf das offene Grab. »Wir sind gekommen, um zu fragen, wer dort unten liegt.«
Zuerst sagte er nichts. Er schien noch nachdenken zu müssen. Dann räusperte er sich, hob die Schultern und sagte: »Meine Frau liegt da. Ich habe sie gestern beerdigt und bin erst heute dazu gekommen, ihr Grab zuzuschaufeln.«
»Ist das hier so üblich?«
»Ja.«
»Warum?«
»Weil wir keinen Totengräber haben. Wir brauchen auch keinen kommen zu lassen. Wenn einer aus dem Dorf stirbt, wird das Grab von den Bewohnern ausgehoben. Zugeschüttet wird es dann durch die engsten Angehörigen. Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen.« Seine Augen verengten sich. »Außerdem weiß ich nicht, warum ich Ihnen das alles
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