Aina - Herzorgasmus
wurde mit jeder Sekunde breiter. Und schöner. Damit trieb er sie jedoch gerade zur Weißglut. Sie holte aus und wollte ihm schreiend die Flasche über den Kopf ziehen, da schien sie ihr jemand aus der Hand zu reißen, denn sie flog im hohen Bogen durch den Raum und zersprang an der Wand hinter ihm. Sie sah ihn erschrocken an, doch sie hatte keine Zeit über das Wie nachzudenken. Sie stürzte aus dem Wohnzimmer, lief so schnell sie konnte durch den Flur in die Küche, zog die Schublade auf und schnappte sich das größte Messer, das sie besaß. Als sie sich umdrehte, stand er schon vor ihr.
Sie schrie vor Schreck und stach reflexartig zu. Das Messer bohrte sich durch sein Hemd tief in seinen Bauch. Es fühlte sich seltsam an. Sie glaubte zu spüren, wie es die Hautschichten zertrennte und die Organe traf. Und als sie warmes Blut an ihrer Hand spürte, ließ sie erschrocken los. In ihren Ohren rauschte esund ihr Magen kribbelte vor Übelkeit. Doch das Adrenalin pulsierte immer noch durch ihre Adern und hielt sie kampfbereit. Sie würde später zusammenbrechen. Sich später übergeben. Wenn es ein später gab. Doch jetzt sah sie erst einmal voller Schrecken in sein völlig unbeeindrucktes Gesicht. Sie konnte keinen Schmerz darin erkennen. Keine Angst. Nicht einmal Wut oder Entsetzen. Nur das unergründliche, schwarze Funkeln, das sie immer noch fesselte. Die Tiefe darin zog sie an, wie eine Motte, die vom Licht angezogen wurde. Sie wollte darin eintauchen. Damit verschmelzen. Obwohl sie die Kälte in seinem Blick erschreckte.
Auf einmal kam er ihr sehr nahe, stützte seine Hände neben ihrem Körper auf der Küchenzeile ab, wobei seine Arme ihre Hüfte berührten und sagte: »Du kannst mich nicht töten, Aina.« Und dabei verzog er seinen Mund zu einem selbstgefälligen, überlegenen Lächeln. Die nächsten Worte hauchte er ihr geradezu auf die Lippen: »Ich bin der Tod.«
Aina stellten sich die feinen Härchen auf den Unterarmen auf und sie glaubte sogar zu spüren, wie sich ihre Nackenhaare aufrichteten. Die Gänsehaut, die über ihren ganzen Körper zog, breitete sich sogar auf ihrem Kopf aus. Sie schluckte ängstlich und bebte gleichzeitig ob der Berührung, die fast einer Umarmung gleich kam. Dann wich er etwas zurück, zog sich ohne eine Miene zu verziehen das Messer aus dem Leib und stach es mit Wucht und einem wütenden Gesicht in das Holzbrett hinter Aina.
Sie zuckte bei dem lauten Knall zusammen und sah ängstlich an ihm hinunter. Sie konnte die Schnittwunde an seinem Bauch in der Dunkelheit nicht erkennen, aber sie vermutete, dass er gerade am Verbluten war. Es würde nicht lange dauern, da würde er zusammenbrechen. Sie musste nur so lange durchhalten. Und kämpfen. Als erstes würde sie Andi anrufen.Sie hatte ihn per Kurzwahl in ihrem Handy gespeichert. Und dann würde sie sich ein paar Klamotten schnappen und aus dem Haus stürmen. Die Schlüssel durfte sie nicht vergessen, dachte sie noch. Die Schlüssel. Ihre Mordwaffe.
Plötzlich nahm er ihre Hand, führte sie zu seinem Bauch und legte sie flach auf seine Verletzung. Aina verzog vor Ekel das Gesicht, doch einen Moment später tastete sie die Stelle ungläubig ab. Sein Hemd war zwar zerrissen, doch sie konnte kein Einstichloch an seinem Bauch finden. Keine Verletzung. Kein Blut. Nichts. Sie fühlte nur seine warme, unversehrte Haut. Hatte sie sich das nur eingebildet und ihn gar nicht getroffen? War das Messer nur durch sein Hemd gegangen? Auf einmal hörte sie ihn leise lachen und sah ihn schockiert an.
»Genug der Antworten«, sagte er, nahm seine Hände von der Küchenzeile und entfernte sich einen Schritt von ihr. »Ich bin nicht gekommen, um dir etwas zu tun, Aina. Du kannst dich also beruhigen. Was ich wissen wollte, habe ich erfahren.« Er schritt rückwärts durch die Küchentür. »Mehr als das«, sagte er noch, drehte sich dann um und verschwand im Wohnzimmer.
Aina ging ihm mit zitternden Knien hinterher, blieb im Flur jedoch stehen und lugte um die Ecke. Er war fort. Das Mondlicht erhellte den Raum wieder wie zuvor und die Gardine wehte im kühlen Nachtwind, der durch die Balkontür blies. Langsam und vorsichtig ging sie durch den Raum, sah sich immer wieder um und betrat schließlich den kalten Steinfußboden des Balkons. Es war eine sternenklare Nacht und die Luft war klar und kalt. Von ihrem Dachgeschoss aus konnte sie den Hof sehen und die Straße, die sich um ihr Haus schlang. Sie war leer. Alles war leer. Und vollkommen still und
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