Aina - Herzorgasmus
sich brachte. Das Einzige, das er daran hasste, fühlen zu können und das Einzige, das ihn schwächen konnte. Doch er würde nicht zulassen, dass es sein Leben kontrollierte. Oder seine Handlungen. Er würde sie töten. Und weder Emilias flehendes Gesicht, das immer wieder vor seinem geistigen Auge auftauchte und ihn quälte noch Aina, mit ihrem verwirrten, ahnungslosen Blick, ihrem hübschen Gesicht und ihrem zarten, verführerischen Körper, konnten ihn davon abhalten. Ja, er würde sie töten. Schnell und schmerzlos. So, wie er es mit Rebecka getan hatte.
11
Im Bann des Bösen
»Hast du's schon gehört?«, fragte ihre Kollegin Silke sie und setzte sich auf die Kante ihres Schreibtisches, während sie ihren Pudding aß.
Aina reagierte nicht. Sie starrte stur geradeaus und überlegte ernsthaft, sich in eine geschlossene Anstalt einweisen zu lassen. Die Wasserflasche hatte heute morgen immer noch zertrümmert auf dem Fußboden gelegen und das blutverschmierte Messer hatte noch genauso in dem Brett gesteckt, wie er es hinein gerammt hatte. Es war also wirklich passiert. Aber was war mit all den anderen Dingen? Sie konnte diesen Mann unmöglich wirklich angegriffen haben. Hatte er ihr das alles vielleicht nur suggeriert? War er ein Verrückter, der Menschen durch Hypnose manipulieren konnte? Warum war sie nicht zur Polizei gegangen? Warum hatte sie Andi noch nichts davon erzählt? Sie verstand sich selbst nicht mehr.
»Da ist jemand in das alte Schloss oben eingezogen«, erzählte Silke. Ihre Stimme drang zwischen dem regen Treiben in der Redaktion nur wie ein Flüstern zu ihr vor. »Hat es einfach gekauft. Ich frage mich, wie das geht. Das Teil steht doch unterDenkmalschutz. Anscheinend hat er die Typen vom Amt irgendwie manipuliert. Sowas geht doch eigentlich nicht so schnell.«
Aina sah auf. »Was?«
»Na, du weißt schon«, schmatzte Silke und löffelte den letzten Rest aus dem Puddingbecher. »Sowas muss doch erst mal geprüft werden. Die haben mir aber erzählt, dass er es vorgestern gekauft hat und gestern offiziell eingezogen ist. Schon komisch, oder?«
Aina schüttelte den Kopf. »Nein, ich meine… was meintest du mit manipuliert?«
»Naja, dass er sie eben irgendwie manipuliert hat. Was weiß ich. Vielleicht hat er sie auch bestochen oder geschmiert. Oder sie in Hypnose versetzt. Keine Ahnung. War doch nur 'n Scherz.«
Aina stand auf. »Wie sieht er aus?«, fragte sie mit klopfendem Herzen.
»Keine Ahnung«, meinte Silke überrascht. »Die haben ihn nicht zu Gesicht gekriegt. Auch so 'ne komische Sache. Hätte er nicht persönlich unterschreiben müssen, oder so?«
Aina lief sofort zum Büro des Chefs und riss die Tür auf. »Da ist jemand in das Schloss eingezogen?«, fragte sie aufgeregt.
»Wie wär's mit Anklopfen?«, schnauzte er. Der Chefredakteur der lokalen Zeitung war ein recht ansehnlicher, älterer Herr mit grauen Schläfen und braungebrannter Haut, der die meiste Zeit jedoch missgelaunt durch die Redaktion lief und seinen Lebensfrust, der momentan hauptsächlich von seiner Scheidung herrührte, an seinen Angestellten ausließ.
Aina zog eingeschüchtert den Kopf ein. »Entschuldigung«, sagte sie.
»Hab schon Benny drauf angesetzt. Er soll den Kerl interviewen.«
Aina biss die Zähne zusammen. Benny, dachte sie. Er warnicht einmal ein richtiger Journalist. Er war sozusagen ein Botenjunge. Ein Mädchen für alles. Ihn setzte er auf ein Interview an? Anstatt sie zu fragen? Wollte er sie absichtlich erniedrigen oder war er seit seiner Scheidung einfach nur frauenfeindlich?
»Kann… ich das machen?«, fragte sie kleinlaut. Er hatte sie vor Kurzem – schon wieder – auf ein Stadtportrait angesetzt, um zum hundertsten Mal darüber zu berichten, wie toll diese Stadt war, wie wunderschön, wie freundlich und idyllisch. Das war natürlich vor der Wetterkatastrophe gewesen. Jetzt sah die Stadt aus wie ein Trümmerhaufen. Sie kannte jeden Winkel dieser Stadt, hatte die Geschichte mehrmals studiert, die Sehenswürdigkeiten von vorne bis hinten beleuchtet und die Bewohner interviewt. Niemand kannte diese Stadt so gut wie Aina und als er sie erneut zu einem Portrait verdonnert hatte, hätte sie am liebsten gekündigt. Sie war nicht Journalistin geworden, um ihr Leben lang über ein und dieselbe Stadt zu berichten. Sie wollte bedeutende Artikel schreiben. Große Artikel. Weltverändernd. Doch ihre eigenen Ideen und Worte waren noch niemals auf Zeitungspapier gedruckt worden und das würden
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