Aina - Herzorgasmus
Blut nährten. Vampire nannten die Menschen sie. In allen Zeitepochen hatte es Geschichten über sie gegeben. Sogar in der heutigen, modernen Zeit von Computern, Internet und Handys. Doch sie glaubten immer noch nicht an sie. Sie waren ein Mythos. Und es war seinem System zu verdanken, dass niemals jemand Menschen mit Bissverletzungen vorfand oder anderen Spuren, die auf einen Vampir hindeuteten. Nur manchmal, wenn sie schlampig arbeiteten oder die Kontrolle über sich verloren, fand man ihre Spuren. Schnittwunden. Wie durch Rasiermesserklingen verursacht. Spuren, die man auch bei einem Wesen seiner höheren Art vorfinden konnte. Ein Nox ohne menschlichen Körper. Und selbst er, das höchste Wesen von allen, würde solche Spuren hinterlassen. Wenn er wollte. Sieentstanden durch seine Energie. Schneidend war sie. Messerscharf. Verletzend und zerstörend. Doch selbst wenn die Menschen eine Leiche fanden, die solche Spuren aufwies, kamen sie nicht einmal in die Nähe der Vermutung, dass es sich um einen Vampir gehandelt haben könnte. Nein, sie dachten an Psychopathen, an irre, perverse Menschen. Niemals an etwas, das ihren Horizont überstieg. Sie liefen also niemals Gefahr entdeckt zu werden. Und selbst wenn, hätten die Menschen keine Chance gegen sie. Denn niemand von ihnen kannte ihre Schwachstelle. Bis auf…
Angor hob den Blick und sah seine Untertanen an. Einen nach dem anderen. Es war gut, dass Aina tot war. Wenn sie ihr Wissen darüber weitergegeben hätte, wie ein Vampir umzubringen war, wäre diese Unterart seiner Gattung jetzt nicht mehr sicher. Sie waren zwar stark und den Menschen weit überlegen, aber Menschen waren nicht dumm. Sie konnten sich Strategien überlegen und Jäger ausbilden, die sich auf eben diese Schwachstelle konzentrierten. Es war paradox, dachte er. Gerade der Bereich des Körpers, den sie bevorzugt bei den Menschen aufschlugen, um ihr Blut zu trinken, war ihre eigene Schwäche. Ihre Halsschlagader. Nur dort waren sie wirklich verletzbar. Der Rest ihrer Körper war geradezu unzerstörbar.
»Die Kampagne zeigt Erfolg«, sagte einer seiner Untertanen. »Die Kinderentführungen sind Gesprächsthema Nummer eins in allen Medien und sozialen Netzwerken. Die Kämpfe nehmen zu.«
»Gut«, sagte Angor. Je mehr die Menschen kämpften und hassten, umso besser. Sie waren so leicht zu manipulieren. Es brauchte nur eine Kleinigkeit, die sie fürchteten oder ablehnten und schon zündete ihre Wut, ihr Hass und ihr Kampf. Und sie ahnten nicht, dass sie ihn damit immer stärker machten. Je mehr sie hassten, kämpften und sich fürchteten, umso mehr Kraftschenkten sie ihm und seiner Art. Er bestand aus ihren negativen Schwingungen und bezog seine Energie daraus. Er musste also dafür sorgen, dass sie weiterhin Hass, Angst und Wut fühlten. Seine Leute machten einen guten Job. Die Welt war voll von negativen Schwingungen. Und das machte ihn und seinen Bruder Rece zu den mächtigsten Wesen, die auf diesem Planeten existierten.
Nachdem die Sitzung beendet war, ging Angor zurück in seine privaten Gemächer, wo Emilia bereits auf ihn wartete und ihm wütende Blicke zuwarf. Blicke, die so giftig waren, dass sie ihn vermutlich töten konnten. Wenn er sterblich gewesen wäre. »Du weißt, dass ich das eher genieße«, sagte er unbeeindruckt, zog sein Hemd aus und schmiss es über die Stuhllehne.
»Kinder?«, raunte sie und hätte ihm vor Wut am liebsten ins Gesicht gespuckt. »Gibt es nicht schon genug Angst auf der Welt, von der du dich nähren kannst? Musst du auch noch Kinder entführen?«
Angor lachte und betrachtete sich selbstverliebt im Spiegel. Sein blondes Haar streichelte seine Brust wie goldene Seide und sein schönes Gesicht verbarg sein teuflisches Antlitz wie eine Porzellanmaske. Er war das dunkelste und gefährlichste Wesen, das es gab und wirkte doch zerbrechlich, harmlos und schön. Wie ein Engel. Vielleicht vergaß sie deshalb immer wieder, wen sie vor sich hatte. Doch er genoss dieses Spiel der Gegensätze. Er bestand aus Gegensätzen. »Sie bekommen ihre Kinder wieder«, sagte er und sah sie durch den Spiegel an. »Du weißt, dass ich beide Pole im Auge behalte. Glück und Unglück.«
Emilia stand nun auf und kam in ihrem Nachtgewand zu ihm. Mit ihrem geschmeidigen Gang und ihrem hasserfüllten Blick wirkte sie gefährlich wie ein wildes Tier. Erneut empfand er Stolz für seine Schöpfung. Denn sie war gefährlich und sie war ein wildes Tier. Getrieben von Wut und Liebe. Eine
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