Airborn 01 - Wolkenpanther
diesen Moment wählen musste, um den galanten Filmstar zu spielen.
»Ich bin aufrichtig erstaunt, dass sich hier noch niemand angesiedelt hat«, plauderte er scharmant.
Bestimmt bat er mich gleich, ihnen ein paar Getränke zu bringen.
»Die Insel liegt am Ende der Welt«, sagte ich ungeduldig. »Fernab der großen Handelsstraßen. Den Karten nach ist die nächste größere Insel fast zweitausend Kilometer entfernt.«
»Trotzdem«, sagte Bruce, »mir scheint, als könne man hier recht gemütlich leben.«
»Vielleicht kauft dir dein Vater die Insel ja als Feriendomizil. Wie wär's, wenn wir jetzt endlich aufbrechen?«
Kate wandte sich zu mir. »Ich gehe nicht, ehe ich nicht ein Foto habe.«
»Ein Foto wovon?«, fragte Bruce.
»Wir haben keine Zeit mehr«, versuchte ich Kate zu erklären. »Der Kapitän möchte die Insel so bald wie möglich verlassen.«
»Dann ist das wohl meine letzte Gelegenheit. Ich brauche ein gutes, scharfes Bild von ihm.«
»Ihm?«, fragte Bruce.
»Ach so! Du hast also nichts dagegen, Mr Lunardi in dein kleines Geheimnis einzuweihen?«, sagte ich. »Dann dürfen wir jetzt also darüber sprechen?«
»Welches Geheimnis?«, wollte Bruce wissen.
Kate schaute mich an. Sie wirkte ungeheuer zufrieden mit sich.
»Ich habe sein Nest gefunden«, verkündete sie stolz.
»Geht es um einen seltenen Vogel?«, fragte Bruce ungeduldig.
»Wo?«, wollte ich wissen.
Sie streckte die Hand aus. »Siehst du es nicht?«
Ich schaute in die von ihr gezeigte Richtung, ohne genau zu wissen, wonach ich Ausschau halten sollte. Äste, blühende Schlingpflanzen, Blätter, Farne, alles wurde immer dichter und dunkler, je weiter mein Blick ging.
»Ich sehe nur Bäume«, sagte ich.
Kate zog das Fernglas vom Hals und reichte es mir.
»Such weiter, Schiffsauge«, sagte sie.
Ich hielt das Okular ans Auge und stellte die Schärfe ein. Immer noch konnte ich nichts Ungewöhnliches erkennen und meine Ungeduld flammte wieder auf. Da bemerkte ich in einem Baum ein seltsames Flechtwerk. Das war nicht so gewachsen. Es sah eher so aus, als wären viele kleine Zweige sorgfältig zu einer Schutzwand zusammengefügt worden. Auch Federn unterschiedlichster Farben waren mit eingearbeitet sowie Erdklumpen und Blätter. Ich konnte die Wand nur von einer Seite aus sehen, aber offenbar reichte sie einmal rings um den Baum herum. Die Konstruktion hatte keinerlei Ähnlichkeit mit einem Vogelnest, sondern erinnerte eher an einen Unterschlupf, den sich ein Eichhörnchen für den Winter baut. Sie schien sogar eine Art Überhang zu haben, der den Regen fern hielt und noch dazu so geneigt war, dass er gegen die vorherrschenden Winde auf der Insel Schutz bot.
Ich senkte das Fernglas.
»Er hat das gebaut«, sagte Kate.
»Aber warum sollte er ein Nest bauen?«, überlegte ich. »Vögel bauen Nester, um ihre Eier hineinzulegen, Eichhörnchen als Unterkunft für den Winter.«
»Er braucht doch einen Ort, wo er leben kann«, sagte Kate. »Es ist wirklich unglaublich. Er ist kein Landsäugetier und kam ohne Erfahrung hierher, doch instinktiv hat er daran gedacht, eine Art Schutzhütte zu bauen. Er ist wirklich schlau.«
»Darf ich auch mal?«, fragte Bruce und griff nach dem Fernglas.
Doch ehe er es an die Augen setzen konnte, geschah es. Ein langer, wolkenweißer Strich erschien in einem Baum in der Ferne und ein heller Flügel leuchtete auf.
Ungeschickt hob Kate die Kamera, doch der Wolkenpanther sprang bereits in einen anderen Baum davon. Seine gewaltigen Flügel spreizten sich und Bruce schnappte hörbar nach Luft. Auch ich war jedes Mal aufs Neue überrascht, wie groß und prächtig und stark dieses Tier plötzlich wirkte, wenn es seine Flügel ausbreitete. Die Flügel wurden wieder zusammengefaltet, der Wolkenpanther landete auf einem Ast, glitt zwischen das Blattwerk und verschwand in seinem Nest.
Kate atmete laut schnaubend aus.
»Ich hab ihn verpasst. Ich war nicht bereit«, sagte sie verärgert. »Ihr zwei habt mich abgelenkt!«
Ich sah Bruce an. Er stand vornübergebeugt da und starrte dem Wolkenpanther mit offenem Mund hinterher.
»Ich habe den ganzen Tag darauf gewartet, dass er zurückkommt«, sagte Kate. »Euer Geschrei im Wald hat dabei sicher nicht geholfen.«
»Was um alles in der Welt ist das?«, fragte Bruce. Seine Stimme klang wie ausgetrocknet.
»Wir haben noch keinen Namen für ihn«, erklärte Kate.
»Wolkenpanther«, sagte ich abwesend.
Kate schaute mich an. »Daran habe ich auch schon gedacht!« Sie
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