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Airborn 01 - Wolkenpanther

Airborn 01 - Wolkenpanther

Titel: Airborn 01 - Wolkenpanther Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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weich aussah. Ich konnte mir genau vorstellen, wie es sich anfühlen würde, wenn man es streichelte. Er sah aus wie ein Prinz mit einem bauschenden Fellmantel um die Schultern. Obwohl er knapp eineinhalb Meter lang sein musste, wirkte er mit zusammengefalteten Flügeln viel kleiner, wie ein Exemplar einer seltsamen Katzenart. Seine Augen waren grün gesprenkelt. Ich hätte ihn stundenlang anschauen können.
    Vorsichtig schritt er über den Ast, der nicht einmal zitterte, so leicht war er. Dann sprang er gewandt auf die Lichtung und landete mehrere Schritte von dem Fisch entfernt. Er kauerte sich nieder und pirschte näher an ihn heran.
    Ich sah sofort, dass er nicht dazu geschaffen war, sich am Boden fortzubewegen. Da seine Vorderbeine eigentlich als Flügel dienten, kroch er komisch gebückt dahin, mit wippenden Schultern, das Gesicht dichter an der Erde als sein Rumpf. Er erinnerte mich an eine Katze, die sich an einen Vogel heranschleicht. Am Boden zeigte er nichts von der geschmeidigen Eleganz, die er besaß, wenn er von Baum zu Baum jagte. Seine Beine waren nicht fürs Laufen gedacht, auch wenn seine Muskeln durch das Leben im Wald kräftiger geworden waren. Ich hasste seinen Anblick am Boden. Er schlurfte und schlich, als hätte er einen Widerwillen gegen die Erde unter seinen Füßen. Ich wünschte, ich könnte ihm helfen, denn ich wusste, wie es war, wenn einem die Flügel gestutzt waren.
    Er näherte sich nun der Mitte der Lichtung, wo der stinkende Fisch im Sonnenschein glänzte. Wir hatten ihn zuvor immer nur aus der Ferne gesehen, von Blättern und Zweigen verdeckt und in schneller Bewegung. Der Wolkenpanther tat noch einen Schritt und blieb dann stehen. Seine Ohren zuckten. Er lauschte. Ob er unseren Atem hörte, das Knacken unserer Gelenke, während wir versuchten, uns nicht zu bewegen? Er hatte uns jedenfalls noch nie den Rücken zugedreht, vielmehr schlich er von der anderen Seite an den Fisch heran, den Kopf in unsere Richtung gewandt. Sehen konnte er uns bestimmt nicht. Nicht zum ersten Mal überlegte ich, ob es klug gewesen war, so dicht an sein Nest heranzukommen. Ich dachte an Krähen, die harmlose Spaziergänger angriffen, weil diese unabsichtlich an einem Baum vorbeiliefen, in dem sich das Nest der Vögel befand. Aber das kam daher, dass in dem Nest Küken saßen und die Eltern sie schützen wollten. Dieser Wolkenpanther musste nichts schützen – nur sich selbst.
    Da stürzte er sich mit drei schnellen, geduckten Sprüngen auf den Fisch und riss den Kadaver mit seinen Vorderklauen an Schwanz und Kiemen an sich. Sein Maul öffnete sich, wir sahen seine Zähne, und plötzlich war alles anders.
    Jede Ähnlichkeit mit einer scheuen Katze war auf einmal wie weggewischt.
    Wir hörten die schmatzenden, keuchenden Laute, während er seine Reißzähne in das Fleisch schlug. Er strahlte Gefahr und Kraft aus. Ich hatte zwar die Zähne des Skeletts gesehen, hatte sie mir jedoch nicht im riesigen Kiefer eines lebendigen Tieres vorstellen können, wie sie sich in einen Fisch gruben. Nun, da der Panther uns so nahe war, konnte ich ihn auch riechen, seinen heißen, an Hühnerstall erinnernden Gestank aus Fell, Schweiß, Fisch, ranzigem Fleisch und Exkrementen. Ich schluckte, aber mein Mund war so trocken, dass ich fast würgen musste. Ich schaute zu Bruce. Er zitterte. Kates Gesicht war ganz bleich geworden, ihre Hände schwebten bebend über der Kamera.
    Wir hatten einen schrecklichen Fehler gemacht.
    Das Tier hockte keine vier Meter vor uns und Angst kroch in mir hoch. Ich konnte das zerbrochene Rückgrat des Fisches sehen, den abgetrennten Kopf und die toten Augen, die bei jedem Ruck der kräftigen Kiefer zuckten.
    Es fraß den Fisch. Es könnte auch uns fressen.
    Das Foto war nicht länger von Bedeutung. Es war nur noch wichtig, uns in Sicherheit zu bringen.
    Der Panther hatte den Fisch verschlungen und blickte auf. Seine Nüstern weiteten sich. Ich schaute Bruce' Hände an und konnte förmlich den Geruch des verdorbenen Fisches wie Dampf von ihnen aufsteigen sehen.
    Kate hatte das Auge an den Sucher ihrer Kamera gelegt. Ihr Finger lag auf dem Auslöser. Ich streckte die Hand aus, um sie aufzuhalten. Zu spät.
    Die Kamera klickte, als sich die Blende öffnete.
    Es war nur ein kurzes, leises, metallisches Klicken, aber das Geräusch wirkte so fremd im Wald, dass es genauso gut ein Donnerschlag hätte sein können. Der Kopf des Wolkenpanthers schoss nach oben, als hätte jemand an einer Kette gezogen.

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