Airborn 01 - Wolkenpanther
Cruse. Schließlich haben wir eine Pflicht zu erfüllen, du und ich.«
»Eine Pflicht?«
»Völlig richtig. Der Wissenschaft gegenüber. Wenn es Knochen auf dieser Insel geben sollte, dann müssen wir sie finden.«
Ich seufzte. Ich war immer noch alles andere als überzeugt davon, dass diese geflügelten Wesen überhaupt existierten. Aber sie war wild entschlossen, nach ihnen zu suchen, und ich konnte sie schlecht alleine lassen. Ja, Miss Simpkins, ich habe gesehen, wie sie in den Wald gegangen ist. Nein, ich bin ihr nicht gefolgt. Warum sollte ich? Sie schien bestens allein zurechtzukommen. Nein, ich habe mir keine Sorgen um sie gemacht.
»Die Insel ist sehr groß, Kate.« Meine Gegenwehr bröckelte. »Du kannst nicht jeden Winkel erforschen. Wo willst du überhaupt anfangen?«
»Wir fangen eben einfach an«, sagte sie. »Die Knochen können überall herumliegen, wenn die Geschöpfe einfach so vom Himmel fallen. Natürlich könnten sie von anderen Tieren weggetragen werden. Aber das ist eher unwahrscheinlich, da es vermutlich keine größeren Säugetiere auf dieser Insel gibt.« Vor lauter Konzentration runzelte sie die Stirn. »Aber viele Tiere ernähren sich von Aas. Also suchen wir am besten im Umfeld von Bäumen mit Vogelnestern oder den Gelegen von Glattechsen und Eidechsen.« Sie verstummte. »Das hört sich lustig an. Glattechsen und Eidechsen.«
Der Boden stieg allmählich an und Kate geriet vor lauter Marschieren und Reden allmählich außer Atem. Die Hitze sickerte durch die Bäume und Farnwedel. Mein Rücken war nass geschwitzt und mein Herz fühlte sich ganz wackelig an in meiner Brust. Noch nie hatte ich ein so lautes Vogelgeschrei gehört. Es zirpte und trillerte und pfiff und tutete und kreischte ununterbrochen. Sah man nach oben, konnte man stets einen leuchtenden Federball durch die Blätter sausen oder ein Büschel Schwanzfedern vorbeihuschen sehen. Bei fast jedem Schritt wurde man von einem Klumpen Vogelmist getroffen. Diese vorlauten Gesellen hatten offensichtlich keine Angst vor Menschen, denn sie saßen ruhig da und starrten uns an, bis wir ganz dicht an sie herangekommen waren, ehe sie durch das Dickicht flatterten. Ein frecher, kleiner Wellensittich wartete sogar, bis ich fast auf ihn getreten wäre, bevor er sich in Sicherheit brachte.
»Es wird zu anstrengend für dich, das Buch zu tragen«, sagte ich. Sie hatte es in einer kleinen Tasche verstaut, die an einem geflochtenen Riemen an ihrer Schulter hing.
»Es ist nicht schwer«, sagte sie schulterzuckend.
Ich wartete die ganze Zeit darauf, dass Kate müde wurde. Ihr Kleid war aus Baumwolle und wirkte recht luftig, aber es reichte bis zu ihren Knöcheln, und sie musste es immer wieder mit der Hand zusammenraffen, damit sie sich besser bewegen konnte. Irgendwann würde ihr bestimmt zu heiß werden und sie würde in den luftigen Schatten des Strandes zurückkehren wollen. Doch sie zeigte keine Spur von Erschöpfung. Ich bewunderte ihre Ausdauer. Wenn nötig, kletterte sie ohne Zögern selbst Felsen und kleine Hügel hinauf. Sie ging immer weiter.
Ich war mir nicht sicher, ob unser Plan überhaupt vernünftig war, doch ein Teil von mir war froh sich bewegen zu können, erleichtert etwas zu tun zu haben, und nicht reglos in der Koje zu liegen, an die Erde gefesselt. Alle paar Minuten drehte ich mich um und orientierte mich, damit wir auch wieder den Weg zurück finden würden. Eigentlich wäre es nicht nötig gewesen; mein Orientierungssinn war so präzise, als hätte ich einen Magneten im Schädel. Selbst wenn man mich mit verbundenen Augen im Kreis herumdrehte, wusste ich sofort wieder die Richtung. Ich tastete nach dem kühlen Metall des Kompasses in meiner Tasche.
Kate dagegen sah sich kein einziges Mal um. Sie interessierte sich nur dafür, was vor ihr lag. Ihr Blick schweifte am Boden entlang und sie blieb häufig stehen und kniete nieder, um einige Farne beiseite zu schieben und den Boden eingehender zu untersuchen. Manchmal schaute sie auch zu den hohen, seltsamen Bäumen empor oder machte einfach nur Halt, um zu lauschen. Auch wenn sie zu wissen schien, was sie tat, hatten wir bislang keine Knochen entdeckt, weder große noch kleine.
Mittlerweile war es Mittag geworden und heißer denn je. Die Luft war dick und von einem süßlichen Geruch erfüllt und von meinen Schläfen strömte der Schweiß. Ich hatte Durst, aber wir hatten keinerlei Verpflegung mitgenommen. Unser Ausflug war nicht geplant, wir wanderten ziellos durch
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