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Airborn 02 - Wolkenpiraten

Titel: Airborn 02 - Wolkenpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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Pruss. Er ließ eine Karte aus schwerem Büttenpapier mit den eingeprägten Insignien des Ritz Hotels über den Tisch gleiten. Darauf stand in schöner Schrift:

    »Natürlich.« Ich nahm die Karte.
    »Seien Sie vorsichtig, Mr Cruse. Die Grunels mögen vielleicht nicht die einzigen Leute sein, die diese Koordinaten haben wollen. Heute Nachmittag hat offenbar jemand an der Pforte nach Ihnen gefragt. Ich habe die Pförtner angewiesen, keine Informationen über Sie herauszugeben.«
    »Danke, Sir.« Die ersten Anzeichen einer dunklen Ahnung flackerten in mir auf.
    Der Dekan blickte mich eindringlich an. »Sie machen auf mich einen vernünftigen Eindruck, Mr Cruse. Ich nehme nicht an, dass Sie hinter Phantomgold herjagen.«
    »Natürlich nicht, Sir.«
    »Sehr gut. Ich vermute, Sie denken an die kommenden Prüfungen.« Er blickte in das große, aufgeschlagene Buch vor sich auf dem Tisch. »Wie ich sehe, sind Ihre Noten in Aerostatik und Physik bei weitem nicht zufrieden stellend.«
    »Ich weiß, Sir.«
    »Instinktive Fähigkeiten werden Sie nur bis zu einem bestimmten Punkt bringen. Theorie und Mathematik sind ebenso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger. Mit vergangenen Heldentaten gewinnen Sie keinen Flugschein. Sie haben noch viel Arbeit vor sich, wenn Sie beabsichtigen, das nächste Semester zu erreichen.«
    »Ja, Sir.«
    Er rollte in den Schatten hinter seinem Schreibtisch zurück. »Und ich wüsste es sehr zu schätzen, Ihren vollständigen schriftlichen Bericht bis Ende der Woche vorliegen zu haben.«
    Die Akademie war um einen weitläufigen quadratischen Innenhof gebaut, den man, von der Pförtnerloge aus gut überblickbar, durch einen mächtigen Torbogen betrat. Die Schlafräume befanden sich im südlichen und östlichen Flügel und waren in verschiedene »Häuser« unterteilt. Ich war im Dornierhaus untergebracht, in einem kleinen Zimmer im ersten Stock, das gerade für ein schmales Bett, eine Kommode, einen Tisch und einen Schrank reichte. Das Fenster ging auf den Innenhof. An den Wochenenden war es laut, besonders bei warmem Wetter, wenn die Studenten die ganze Zeit feierten und tranken. Jetzt jedoch war der Komplex fast unheimlich ruhig und das mochte ich nicht. Abgesehen von den prähistorisch wirkenden Hausmeistern, die durch die Flure schlurften, waren nur ein paar Dozenten und Sekretäre da, dazu eine Hand voll Studenten aus den oberen Semestern, die aus welchem Grund auch immer kein Praktikum machten.
    Als ich abends im großen Speisesaal aß, waren die langen, hölzernen Mensatische nahezu ganz verlassen. Zur Gesellschaft hatte ich nur die riesigen Porträts berühmter Flieger und früherer Dekane, die bedrohlich über mir hingen. Clement Ader, Billy Bishop, Amelia Gearhart, Henri Giffard, Camille von Zeppelin. In ihrer Gesellschaft kam man sich ganz klein und elend vor und seit meinem Eintritt in die Akademie bin ich ohne Zweifel immer kleiner geworden.
    Ich war nicht der Superschüler, wie alle erwartet hatten. Vor meiner Zeit als Kabinensteward hatte ich nur wenige Jahre die Schule besucht. Ich konnte lesen und schreiben. Ich konnte addieren, subtrahieren und multiplizieren. Doch auf der Akademie wurde plötzlich von mir erwartet, alle möglichen abstrusen Mathematikaufgaben zu lösen mit Zeichen, die ich nie zuvor gesehen hatte. Mit viel Fleiß kam ich in Latein gerade so klar, ebenso mit Erörterungen und Geschichte. Aber die Zahlen, zappelig und glitschig wie Aale, ärgerten mich ohne Ende. Ich kam mit ihnen einfach nicht zurecht. Es schien, als ob alle meine Jahre auf der Aurora , in denen ich in der Führergondel beobachtet und zugehört hatte, nichts zählten. Ich hatte ein Neunhundertfuß-Luftschiff starten lassen, hatte es geflogen, aber ich konnte nicht erklären, wie das alles nach Gleichungen und naturwissenschaftlichen Gesetzen funktionierte. An manchen Abenden brütete ich wütend über den Lehrbüchern und hätte ebenso gut versuchen können, ägyptische Hieroglyphen zu lesen. Ich erzählte niemandem von meinen Schwierigkeiten, so arg schämte ich mich. Ich hatte so sehr davon geträumt, auf die Akademie zu gehen, aber alles, was ich jemals wollte, war fliegen.
    Ich blickte hoch in die blassen Augen von Dekan Pruss’ Porträt und konnte den Rest meines Essens nur mit Mühe hinunterbringen. Er hatte Recht: Instinktive Fähigkeiten allein reichten nicht aus. Auf der Akademie war ich nicht gut, also musste ich besser lernen. Was andere konnten, konnte ich auch. Ich würde so lange arbeiten,

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