Airborn 02 - Wolkenpiraten
Zigeunerin. Alle hatten mich gewarnt.
Unser Kaffee kam, und wie immer mochte ich den Geruch mehr als den Geschmack, aber ich fror und war völlig aufgewühlt, und so war die Wärme, die mir durch die Kehle rieselte, sehr willkommen.
»Ich hätte dich vor ihnen warnen können«, sagte sie. »Wenn du nur zugehört hättest.«
»Du kennst die?«, fragte ich misstrauisch.
»Ich weiß, wer sie sind.«
»Das ist keine richtige Antwort.«
»Ich arbeite nicht für sie, wenn du das meinst«, sagte Nadira.
»Für wen arbeitest du dann?«, fragte ich.
»Für keinen. Nur für mich.«
Sie war sehr hübsch und das löste ein gewisses Unbehagen in mir aus. Saß ich etwa nur deshalb hier? Oder war ich einfach nur auf gefährliche Weise neugierig? Die Art, wie sie mich beharrlich und intensiv ansah, fand ich entnervend. Ich wusste nicht, was ich in ihren dunklen Augen sah: Neugier, Vorsicht oder sogar Hass mir gegenüber.
»Ich hab gedacht, du wärst größer«, bemerkte sie. »Nach all den Geschichten in der Zeitung.«
»Na, die übertreiben doch immer, oder?«
»Klar.«
Ich hoffte, sie hielt mich nicht für einen Mickerling. »Wie hast du mich gefunden?«
Sie trank einen Schluck Kaffee. »Ich möchte dir ein Geschäft vorschlagen.«
»Du willst, dass wir uns zusammentun und die Hyperion bergen«, schlug ich vor.
»Richtig«, sagte Nadira. »Da ist ein Vermögen an Bord und das möchte ich haben. Du kennst die Koordinaten, stimmt’s?«
So laut, wie es in dem Café war, bestand keine Gefahr, belauscht zu werden. Wir mussten uns über den Tisch beugen, um einander zu verstehen. Neben dem dämpfigen Geruch ihres Ledermantels hing noch ein feiner, würziger Duft in der Luft. Kreuzkümmel vielleicht. Nach jahrelanger Arbeit im Umfeld von Chef Vlads Küche gab es wenig Gewürze, die ich nicht kannte.
»Ich glaube nicht, dass ich interessiert bin«, sagte ich.
»Weil ich eine Zigeunerin bin?«
Ich gab keine Antwort.
»Du hast keine Ahnung von den Roma, oder? Ich meine, abgesehen davon natürlich, dass wir alle Taschendiebe und Räuber sind?«
»Nein, nicht so sehr.«
»Du solltest besser nicht jedes dumme Gerücht glauben, das du hörst.«
»Da hast du wahrscheinlich Recht«, sagte ich peinlich berührt.
»Also, was glaubst du? Können wir zusammenarbeiten?«
»Ich kenne dich doch gar nicht.«
»Aber du brauchst mich.«
»Wieso?«
Nadira schob die Hand unter den Kragen und holte ein flaches Lederetui hervor, das sie um den Hals trug. Mit ihren langen Fingern ließ sie den Verschluss aufschnappen und zog einen angelaufenen Messingschlüssel heraus. Er wirkte sehr alt und ausgeklügelt, mit allen möglichen Zacken, die rund um den Schaft herausragten. Er war mehr ein kniffliges Rätsel als ein Schlüssel, faszinierend und kompliziert.
»Der sieht aus, als könnte man damit das Himmelstor aufschließen«, meinte ich.
»Fast.« Geschickt wickelte sie den Schlüssel wieder ein und ließ ihn in das Etui zurückgleiten. Ich versuchte nicht auf die zarte, dunkle Haut ihres Halses zu starren. »Das ist der Schlüssel zu den Frachträumen der Hyperion «, sagte sie.
»Woher weißt du das?«
»Von jemand, der genau Bescheid weiß«, sagte sie.
»Und woher hast du den Schlüssel?«
Sie zuckte nicht einmal mit dem Augenlid. »Das ist meine Sache.«
»Hast du ihn John Rath gestohlen?«
»Nein. Er hat aber herausgefunden, dass ich den Schlüssel hab, und nach mir gesucht. Ich hab ein bisschen rumspioniert und sie belauscht, als sie über dich gesprochen haben. Sie sagten, du wüsstest die Koordinaten. Da bin ich, so schnell ich konnte, nach Paris geflogen, um dich zu warnen.«
»Woher kommst du?«
»London.«
Das hatte ich von ihrem Akzent her schon vermutet. Sie war den ganzen Weg von Angelsachsen hergekommen, um mich zu finden. War sie alleine gereist – unerhört für ein Mädchen aus der besseren Gesellschaft? Und wer hatte ihr den Flug bezahlt? Oder hatte sie eigene Mittel? Ich ging davon aus, dass sie irgendwie in gefährliche, kriminelle Unterweltkontakte verstrickt war. Wie sonst wäre sie in den Besitz eines so wertvollen Schlüssels gekommen? Sie zog sich an wie ein Mann. Sie spionierte. Sie konnte über Dächer springen und Pistolenkugeln ausweichen. Alles in allem: Sie war mir ein Rätsel.
»Du kennst die Koordinaten«, sagte sie. »Ich hab den Schlüssel. Wir brauchen uns gegenseitig.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Schlösser können aufgebrochen werden.«
»Die nicht.«
»Du scheinst ziemlich
Weitere Kostenlose Bücher