Airborn 02 - Wolkenpiraten
natürlich. Auch ohne Vergrößerungsglas konnte ich jede Menge Bewegung in der Flasche sehen. Nadira und ich beugten uns dichter darüber und unsere Köpfe berührten sich fast.
»Spinnen?«, fragte ich verblüfft.
»Ja«, sagte Kate. »Die unten am Boden befinden sich noch in einer Art Froststarre, aber die anderen hier scheinen restlos glücklich zu sein.«
Die Spinnen huschten in der Flasche herum. Einige sahen recht vertraut aus, aber andere waren seltsame, spindeldürr aussehende Dinger mit kleineren Körpern und längeren Beinen, als ich es von Spinnen sonst kannte.
»Aber die leben doch nicht hier oben«, sagte Nadira. »Die sind nur vom Wind hergeblasen worden.«
»Ein paar von ihnen sicher«, erwiderte Kate, »was faszinierend genug ist. Sie sind so leicht, dass der Wind sie tragen kann, wahrscheinlich über tausende von Meilen. So können sie Ozeane überqueren und neue Kontinente besiedeln. Ich glaube nicht, dass schon jemand die Ausbreitung von Lebensräumen der Insekten unter diesem Gesichtspunkt untersucht hat. Aber ein paar von den anderen hier sind wirklich sehr seltsam.«
Kate tippte seitlich an das Glas und lenkte unseren Blick auf eine Spinne, die ich bis jetzt noch nicht bemerkt hatte.
»Sind das etwa Flügel?«, fragte ich verwundert.
»Spinnen haben keine Flügel«, sagte Nadira. »Das muss etwas anderes sein.«
»Ich glaube doch, dass es eine geflügelte Spinne ist«, meinte Kate. »Ich bin mir aber noch nicht ganz sicher. Arachniden gehören nicht zu meinem Spezialgebiet. Aber wenn es eine Spinne ist, dann hat sie bisher noch niemand entdeckt. Und schaut euch mal diese anderen Insekten an.«
Da waren viele bizarr aussehende Dinger mit gedrungenen, gepanzerten Körpern und vielfältig angeordneten, kräftigen Flügeln. Die Farben waren gedämpft: silbern, grau und milchig weiß. Vermutlich, um sich Himmel und Wolken anzupassen. Schließlich will niemand gefressen werden. Es verblüffte mich, dass diese Insekten in solcher Höhe, unterstützt von kräftigen Rückenwinden, herumflogen.
»Weißt du, was das alles ist?«, fragte ich Kate.
»Nein«, sagte sie. »Aber ich kann es kaum erwarten, ein paar von ihnen zu sezieren.«
»Kate! Du schneidest die nicht auf!«, rief Miss Simpkins.
»Aber ja, das ist notwendig.«
»Das machst du nicht in unserer Kabine!«
»Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass eines dieser Viehcher abhaut.« Kate lächelte mir verstohlen zu. »Allerdings, das eine da hat eindeutig einen hinterhältig wirkenden Zug um den Mund.«
»Du lässt sie in der Flasche!«, sagte Miss Simpkins.
Kate beachtete sie nicht. »Das alles ist schrecklich aufregend. Es könnte bedeuten, dass eine riesige Himmelstierwelt nur darauf wartet, entdeckt zu werden.«
»Das sind einfach nur kleine Krabbeltiere«, meinte Nadira.
»Aber doch nicht irgendwelche Krabbeltiere. Die meisten Insekten sind gegen Kälte sehr empfindlich, aber von denen hier sind viele etwas Besonderes. Schau mal, wie aktiv die sind, obwohl es draußen unter null Grad ist.«
»Stimmt«, sagte ich. »Die müssten eigentlich alle erfroren sein.«
»Ich vermute, dass sie einen chemischen Stoff in sich tragen, der ihren Gefrierpunkt senkt.«
»Wie Äthylenglykol«, sagte ich, froh, mich an diese Einzelheit aus meinem Studium erinnern zu können. Ich konnte sehen, dass Kate beeindruckt war, weil sie sich unterbrach und die Augenbrauen hochzog. »Das ist von einem Franzosen namens Charles Wurtz erfunden worden. Eine Chemikalie, die verhindert, dass Flüssigkeiten gefrieren.«
»Dann wäre dies dasselbe, nur biologisch produziert!«, sagte Kate. »Und hier ist die nächste aufregende Sache an diesen Kerlchen. Wenn die hier so weit oben leben können, dann können das auch größere Lebewesen. Raubtiere.«
»Wirklich?«, fragte Nadira zweifelnd.
»Denk mal an die Nahrung des Blauwals. Plankton. Krill. Die winzigsten Kreaturen reichen aus, um die größte der Welt am Leben zu erhalten.«
Bei Kates Worten durchfuhr mich ein plötzlicher Schauer. Das musste man ihr lassen, sie hatte eine unglaubliche Begabung, Gedanken ganz neue Wendungen zu geben. Ein Geschöpf so riesig wie ein Wal, das durch die Luft segelt.
»Aber jetzt«, sagte Kate, »hab ich noch viel zu tun. Klassifizieren und so.«
Nadira und ich blickten uns amüsiert an. Wir waren entlassen. Kate war schon an der Arbeit, machte Skizzen und Notizen und nahm alles sonst um sie herum nicht mehr wahr.
Ich schaute auf die Uhr. Noch eine Stunde bis zum
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