Airborn 02 - Wolkenpiraten
Simpkins blickte von ihrer Näharbeit auf. »Eine Heirat ist von viel zu großer Bedeutung, um sie der Jugend zu überlassen.«
»Meine Mutter ist der gleichen Meinung«, sagte Nadira. »Deshalb bin ich auch schon verlobt.«
»Wirklich?« Es gab mir einen unerwarteten Stich.
»In drei Tagen werde ich verheiratet.«
»Wirst du nicht!«, rief Kate.
»Klar, nein, weil ich nicht da bin.« Sie lächelte verschmitzt.
»Du bist davongelaufen!«, sagte ich überrascht und voller Bewunderung.
»Also, das ist skandalös«, bemerkte Miss Simpkins, aber sie hatte die Näharbeit sinken lassen und sich im Sessel vorgebeugt.
»Wenn Sie den Mann sehen würden, den ich heiraten soll, wären sie auch weggerannt. Er hat schrecklich schlechte Zähne, und er ist alt genug, um mein Großvater zu sein.«
»Ich habe vollstes Verständnis für dich«, sagte Kate.
»Wenn ich nicht heirate und Ehefrau und Mutter werde, hab ich bei mir zu Hause keine Zukunft. Deshalb brauche ich Mr Grunels Gold.«
Nadira hatte Recht. Wenn sie ihre Familie verließ und ihr eigenes Leben lebte, würde sie eine Menge Geld brauchen. Als unverheiratete, junge Frau würde es ziemlich schwierig sein, eine sichere und anständige Arbeit und eine Wohnung zu finden. Und für eine Zigeunerin wäre es noch einmal so schwer.
»Ich finde das insgesamt ein sehr freies Benehmen«, sagte Miss Simpkins. »Du bist ein äußerst dreistes Geschöpf.«
»Eigentlich habe ich mir vorgestellt, dass ich nach Paris ziehe und ein hübsches Haus, vielleicht am Fluss, kaufe«, sagte Nadira. »Wir könnten Nachbarn werden.«
Mit einer heftigen Bewegung wandte sich Miss Simpkins wieder ihrer Näharbeit zu.
»Und was ist mit dir?«, fragte Nadira mich. »Was machst du mit deinem Anteil an der Beute?«
»Eine neue Uniform kaufen«, antwortete ich entschieden.
Sie lachte. »Und was noch?«
»Also das hängt davon ab, was dann noch übrig ist.«
»So viel, dass du nicht weißt, was du damit anfangen sollst«, sagte Nadira mit strahlenden Augen.
»Ich, ich würde meiner Mutter und meinen Schwestern ein Haus kaufen, ein richtig großartiges, oben in den Hügeln von Point Grey, mit Blick auf das Wasser und die Berge. Meine Mutter bräuchte nicht mehr zu arbeiten, und ich würde einen berühmten Arzt anheuern, der ihren Rheumatismus heilt. Ich würde eine Frau anstellen, die ihr im Haushalt hilft. Sie bräuchten ihre Kleider nicht mehr selbst zu nähen. Und wenn sie wollen, kaufe ich ihnen so einen neumodischen Motorkraftwagen!«
»Aber du musst doch auch was für dich selbst wollen.«
»Einfach immer fliegen«, sagte ich, aber das war gelogen. Ich wollte mehr als das und schämte mich dafür, wie viel mehr das war. Inzwischen drehten sich alle meine Tagträume um Geld. Ich würde mir Kleider kaufen, wie sie Hal Slater trug, damit ich nicht mehr wie ein Junge aussah. Ich wollte männlich wirken. Dann bräuchte ich Miss Simpkins’ mürrischen Blick und ihre gereizten Kommentare darüber, wie wenig standesgemäß ich wäre, nicht mehr ertragen. Ich käme nicht mehr in die erniedrigende Situation, dass Kate für mich bezahlte. Wenn ich die Akademie nicht schaffte, könnte ich mir ein Schiff kaufen und eine Mannschaft anheuern, deren Kapitän ich wäre. Geld würde mir wie eine Wunderlampe eine glückliche Zukunft herbeizaubern.
9. Kapitel
Tiere der Lüfte
Später am Nachmittag brütete ich über meinem Physikbuch und versuchte, meinen Gleichungen beizubringen, sich geordnet wie eine Truppe Zirkusaffen aufzuführen – allerdings ohne viel Erfolg. Zum dritten Mal radierte ich meine Bleistiftkritzelei aus, als Kate mit einem Glasflakon in den Salon gestürmt kam. Vom Wind zerzaust und mit roten Backen, sah sie insgesamt sehr zufrieden mit sich aus.
»Was hast du da?«, fragte ich.
»Ach, nur so ein paar Exemplare«, sagte sie und ging schnell an ihren Tisch.
Miss Simpkins sah von ihrem Buch auf und musterte sie scharf. »Was meinst du mit Exemplare?«
Kate setzte sich und untersuchte die Flasche sorgfältig durch eine Lupe. »Bei dieser Reise habe ich die ideale Möglichkeit erhalten, meine Theorie zu erproben. Deshalb habe ich ein Netz angebracht.«
»Ein Netz?«, fragte ich.
»Direkt vor meinem Bullauge. Dreißig Minuten habe ich gewartet, und hier sind meine ersten Exemplare.«
»Was genau hast du denn da drin, Kate?«, wollte Miss Simpkins wissen.
»Komm und sieh es dir an«, erwiderte sie vergnügt. Miss Simpkins näherte sich keinen Schritt, aber Nadira und ich kamen
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