Airframe
Tagesdecke.
Ächzend drehte sie sich zur Seite und stellte die Füße auf den Boden. Alles schmerzte. Sie sah zum Wecker auf dem Nachttisch. Sechs Uhr dreißig.
Sie griff unter das Kissen und zog den grünen Metallkasten mit dem weißen Streifen heraus.
Der QAR.
Sie roch Kaffee.
Die Tür ging auf, und Teddy kam in Boxershorts herein, eine Tasse in der Hand. »Wie schlimm ist es?«
»Alles tut weh.«
»Hab ich mir schon gedacht.« Er hielt ihr die Tasse hin. »Schaffst du das?«
Sie nickte. Ihre Schultern schmerzten, als sie die Tasse an die Lippen hob. Der Kaffee war heiß und stark.
»Das Gesicht ist nicht so schlimm«, sagte er und sah sie kritisch an. »Vor allem an der Seite. Ich vermute, du bist mit der Wange auf dem Netz aufgekommen …«
Plötzlich fiel es ihr wieder ein: Das Interview.
»O Gott«, sagte sie und stand ächzend auf.
»Drei Aspirin«, sagte Teddy. »Und ein sehr heißes Bad.«
»Ich habe keine Zeit.«
»Dann mußt du sie dir nehmen. So heiß, wie du’s aushältst.«
Sie ging ins Bad und drehte die Dusche auf. Dann sah sie in den Spiegel. Ihr Gesicht war dreckverschmiert. Ein blauer Fleck breitete sich vom Ohr hinunter in den Nacken aus. Den kann ich mit den Haaren zudecken, dachte sie. Dann sieht man ihn nicht.
Sie trank noch einen Schluck Kaffee, zog sich aus und stieg in die Dusche. Sie hatte Prellungen am Ellbogen, an der Hüfte, an den Knien. Sie wußte nicht mehr, wie sie dazu gekommen war. Der brennend heiße Strahl tat gut.
Als sie aus der Dusche kam, klingelte das Telefon. Sie stieß die Tür auf.
»Geh nicht ran«, sagte sie zu Teddy.
»Bist du sicher?«
»Keine Zeit«, sagte sie. »Nicht heute.«
Sie ging ins Schlafzimmer, um sich anzuziehen.
Sie hatte nur noch knapp zehn Stunden bis zu ihrem Interview mit Marty Reardon. Und bis dahin gab es nur eins, was sie tun wollte. Flug 545 aufklären.
7 Uhr 40
Norton/Computerabteilung Rob Wong stellte den grünen Kasten auf den Tisch, schloß ein Kabel an und drückte eine Taste auf seiner Konsole. Ein kleines rotes Licht leuchtete auf dem QAR auf.
»Strom ist da«, sagte Wong. Er lehnte sich zurück, sah Casey an. »Bereit, es auszuprobieren?«
»Bereit«, erwiderte sie.
»Dann Daumen halten«, sagte Wong. Er drückte noch eine Taste. Das rote Licht auf dem QAR begann schnell zu blinken.
Verunsichert fragte Casey: »Ist das … «
»Alles in Ordnung. Die Daten werden runtergeladen.«
Nach ein paar Sekunden leuchtete das rote Licht wieder stetig.
»Und jetzt?«
»Fertig«, sagte Wong. »Jetzt wollen wir uns die Daten mal ansehen.« Auf dem Monitor tauchten Zahlenreihen auf. Wong beugte sich vor, sah sie sich an. »Oh … sieht ziemlich gut aus, Casey. Das könnte Ihr Glückstag werden.« Ein paar Sekunden lang tippte er schnell. Dann lehnte er sich zurück.
»Jetzt sehen wir gleich, wie gut es ist.«
Auf dem Monitor erschien das Drahtgittermodell eines Flugzeugs, das sich schnell auffüllte und kompakt und dreidimensional wurde. Ein himmelblauer Hintergrund erschien. Ein silbernes Flugzeug, horizontal im Profil gesehen. Das Fahrgestell ausgefahren.
Wong drückte ein paar Tasten und drehte das Flugzeug so, daß sie es vom Heck her sahen. Er fügte eine grüne Wiese dazu, die sich bis zum Horizont erstreckte, und eine graue Rollbahn. Die Darstellung war schematisch, aber wirkungsvoll. Das Flugzeug setzte sich in Bewegung, fuhr die Rollbahn entlang. Die Nase stieg in die Höhe, das Flugzeug hob ab. Das Fahrgestell wurde eingeklappt.
»Sie sind eben gestartet«, sagte Wong grinsend.
Das Flugzeug stieg weiter. Wong drückte eine Taste, auf der rechten Seite des Monitors öffnete sich ein Fenster. Zahlenkolonnen erschienen, die sich schnell änderten. »Es ist kein DFDR, aber es ist gut genug«, sagte Wong. »Alles Wichtige ist da. Höhe, Fluggeschwindigkeit, Kurs, Treibstoff, Position der Steuerflächen - Klappen, Slats, Querruder, Höhenruder, Seitenruder. Alles, was Sie brauchen. Und die Daten sind stabil, Casey.«
Das Flugzeug stieg noch immer. Wong drückte einen Knopf, weiße Wolken erschienen. Das Flugzeug stieg weiter durch die Wolken in die Höhe.
»Ich nehme an, Sie wollen das nicht alles in Echtzeit sehen«, sagte er. »Wissen Sie, wann der Unfall passiert ist?«
»Ja«, sagte sie. »Ungefähr nach neun-vierzig.«
»Neun Stunden vierzig Minuten Flugzeit?«
»Richtig.«
»Kommt gleich.«
Das Flugzeug auf dem Monitor war horizontal, die Zahlen in dem Fenster rechts stabil. Dann begann zwischen den
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