Airframe
vor allem auf gefälschte Konsumgüter wie Uhren, CDs und Computerprogramme. Aber es herrschte auch ein schwungvoller Handel mit allen anderen Arten von Produkten, darunter gefälschte Automobil-und Flugzeugteile. Und in diesem Bereich erhielt das Problem der Imitationen eine ganz neue, unheilvolle Dimension. Im Gegensatz zu einer nachgemachten Cartier-Uhr konnte ein nachgemachtes Flugzeugteil Menschen töten.
»Okay«, sagte Casey. »Ich werde die Wartungsprotokolle überprüfen und herausfinden, wo das herkam.«
Die FAA verlangte, daß für jedes Zivilflugzeug außergewöhnlich detaillierte Wartungsprotokolle geführt wurden. Jedes Teil, das bei einer Maschine ausgetauscht wurde, mußte notiert werden. Darüber hinaus führten die Hersteller, obwohl sie nicht dazu gezwungen waren, über jedes einzelne Teil der Maschine Buch - in den sogenannten Lebenslaufkarten. Dieser Berg von Papier bedeutete, daß jedes der Teile einer Maschine -circa eine Million - zu seinem Ursprung zurückverfolgt werden konnte. Wenn ein Teil von einer Maschine in eine andere eingebaut wurde, war das bekannt. Wenn ein Teil ausgebaut und repariert wurde, war das bekannt. Jedes Teil eines Flugzeugs hatte seine eigene Geschichte. Genügend Zeit vorausgesetzt, konnte man exakt herausfinden, woher dieses Teil stammte, wer es eingebaut hatte und wann.
Casey deutete auf den Haltestift im Flügel. »Haben Sie das fotografiert?«
»Natürlich. Alles ist voll dokumentiert.«
»Dann bauen Sie ihn aus«, sagte sie. »Ich bringe ihn in die Metallurgie-Abteilung. Übrigens, könnte diese Situation hier zu einer Slats-Fehlermeldung führen?«
Doherty lächelte, was selten vorkam. »Ja, könnte sie. Und ich nehme an, das ist auch passiert. Hier wurde kein Originalersatzteil verwendet, und das hat zu dem Defekt an der Maschine geführt.«
Richman war ganz aufgeregt, als sie vom Flügel herunterkletterten. »Das ist es also? Ein schlechtes Ersatzteil? War das die Ursache? Ist das Problem gelöst?«
Er ging Casey allmählich auf die Nerven. »Eins nach dem anderen«, entgegnete sie. »Das müssen wir erst überprüfen.«
»Überprüfen? Was müssen wir überprüfen? Und wie?«
»Zuerst müssen wir herausfinden, wo dieses Teil herkam«, sagte sie. »Gehen Sie ins Büro. Sagen Sie Norma, sie soll sich darum kümmern, daß wir die Wartungsprotokolle von LAX bekommen. Und sie soll dem Fizer in Hongkong faxen, damit der die Protokolle von der Fluggesellschaft anfordert. Er soll sagen, daß die FAA sie verlangt hat und daß wir sie zuerst einsehen wollen.«
»Okay«, sagte Richman.
Er ging zum offenen Tor des Hangars 5 und trat hinaus ins Sonnenlicht. Er stolzierte förmlich, als wäre er eine wichtige Person im Besitz wertvoller Informationen.
Aber Casey war sich ganz und gar nicht sicher, ob sie überhaupt etwas wußten.
Zumindest noch nicht.
10 Uhr 00
Vor Hangar 5
Blinzelnd trat Casey aus dem Hangar ins helle Morgenlicht. Vor dem Gebäude 121 sah sie Don Brull aus seinem Auto aussteigen. Sie ging zu ihm.
»Hallo, Casey«, sagte er und schlug die Tür zu. »Ich habe mich schon gefragt, wann Sie sich wieder bei mir melden.«
»Ich habe mit Marder gesprochen«, sagte sie. »Er schwört, daß der Flügel nicht nach China ausgelagert wird.«
Brull nickte. »Er hat mich gestern abend noch angerufen. Und dasselbe gesagt.« Er klang nicht sehr glücklich.
»Marder beharrt darauf, daß es nur ein Gerücht ist.«
»Er lügt«, sagte Brull. »Ist alles längst beschlossene Sache.«
»Das glaube ich nicht«, entgegnete Casey. »Es ergäbe keinen Sinn.«
»Sehen Sie«, sagte Brull, »für mich persönlich ist das nicht mehr wichtig. Wenn sie den Betrieb in zehn Jahren schließen, bin ich schon in Pension. Und Sie? Ungefähr zu dieser Zeit wird Ihre Tochter aufs College kommen. Sie haben dann diese dicken Studiengebühren zu zahlen. Aber einen Job werden Sie nicht mehr haben. Haben Sie daran schon mal gedacht?«
»Don«, sagte Casey. »Sie haben doch selber gesagt, daß es Unsinn ist, den Flügel auszulagern. Es wäre ziemlich skrupellos…«
»Marder ist skrupellos.« Er kniff die Augen zusammen und sah Casey an. »Sie wissen das. Sie wissen, wozu er fähig ist.«
»Don… «
»Hören Sie«, sagte Brull. »Ich weiß, wovon ich rede. Diese Vorrichtungen werden nicht nach Atlanta gebracht, Casey. Sie gehen nach San Pedro - zum Hafen. Und unten in San Pedro werden spezielle Container für den Schiffstransport gebaut.«
So reimt sich die Gewerkschaft
Weitere Kostenlose Bücher