Akasha 01 - Die Renegatin von Akasha
und was eignet sich besser dazu als Leid?«
Er drehte sich um und sah Djamenah an. »Die Geschöpfe, die zu mir kommen, sind auf der Suche nach einer Antwort, und in den meisten Fällen lautet die Frage: Was ist das Sein? Haben Sie bereits eine Antwort gefunden, Ciristin?«
Djamenah nickte. »Ja. Aber ich weiß auch, daß die Antwort notgedrungen relativ und individuell sein muß. Eine absolute Wahrheit gibt es nicht, Tufanglis. Für mich ist das Sein die Aufgabe, in den Völkern Akashas eine Vorstellung von Liebe und Harmonie zu entwickeln.«
»Mit anderen Worten: Ihre Antwort ist rein emotionaler Natur, und allein das beweist, daß Sie sich nicht auf der gleichen Erkenntnisstufe wie ich befinden. Emotionen sind das Resultat psycho-chemischer und mental-elektrischer Vorgänge und haben nichts mit dem Geist oder der Seele an sich zu tun. Tatsächlich verhindern sie sogar die Aktivierung des gesamten Bewußtseinspotentials. Schmerz ist zwar einerseits ein Gefühl wie jedes andere, doch er vermag andererseits die restlichen Empfindungen aus einem Körper herauszubrennen. Wenn man – wie ich – alle Stadien der Pein erfahren hat, verschwindet letztendlich auch diese Art von Wahrnehmung, und was übrigbleibt, ist allein der Intellekt. Sie könnten mir ein Bein abschneiden, ohne daß ich irgend etwas dabei empfände.«
»Halten Sie das für erstrebenswert?«
Aber Tufanglis ging gar nicht auf diese Frage ein. »Meine Prüflinge müssen zunächst lernen, mit ihrem Schmerz fertigzuwerden. Diejenigen, denen es nicht gelingt, muß ich leider zurückweisen. Die anderen erhalten einen Platz im äußeren Zirkel. Sie haben sicher die Ergquader in der großen Halle gesehen. Ein Teil ihres Bewußtseins transferiert von dort aus in den Seelenstein, und einige meiner Asketen haben es sogar schon geschafft, ihre Seelen, Geister oder wie auch immer man die psychischen Identitäten bezeichnen will, vollständig vom Körper zu lösen. Meine Aufgabe ist es, in dem Ektoplasma dort eine Verbindung zwischen all diesen Entitäten zu schaffen, und wenn das gelungen ist, wenn die Muster, die ich konstruiere, stabil sind, werde ich den anderen folgen.«
»Und dann?« fragte Djamenah sanft. »Was kommt dann?«
»Das«, erwiderte Tufanglis und wandte seinen durchdringenden Blick nicht von ihr ab, »weiß niemand.«
»Wollen Sie damit sagen, Sie bringen Hunderte von Asketen um, ohne eigentlich zu wissen, warum?«
»Ich töte niemanden«, erwiderte der Perfektasket, und jetzt war erstmals ein scharfer Unterton in seiner Stimme zu hören. »Wenn ein Körper stirbt, so bedeutet es nicht notwendigerweise den Tod für das entsprechende Ich. Der Seelenstein ist das beste Beispiel dafür. Und ich weiß deshalb nicht, was nach der Vollendung meiner Aufgabe kommen wird, weil es bisher so etwas wie eine Kollektivintelligenz noch nicht gibt.«
Mit zwei langen Schritten war der Perfektasket an dem Kontrollgerät und griff nach den Sensoren. Dann trat er auf Djamenah zu. »Sie sagten eben, Ihre Antwort auf die Frage nach dem Sein sei das Vermitteln von Liebe und Harmonie, im Grunde genommen also emotionalen Konzepten. Ich möchte Ihnen beweisen, wie wenig Sie einerseits Ihre eigenen Empfindungen beherrschen können – obwohl Sie Ciristin sind –, und wie aussichtslos andererseits die Bewältigung ihrer Aufgabe sein muß.
Hier. Drücken Sie sich die Sensoren an die Stirn und versuchen Sie, den psychischen Entitäten im Seelenstein auf die von Ihnen angestrebte Art und Weise zu helfen.«
»Aber ...«
»Ich fordere Sie ausdrücklich dazu auf, Ciristin.«
Djamenah starrte auf die kleinen elektronischen Scheiben, nahm sie entgegen und preßte sie sich vorsichtig an die Stirn. Einige wenige Sekunden lang geschah überhaupt nichts. Dann aber hatte sie plötzlich das Gefühl, als durchteile die glühende Klinge eines großen Messers ihren Leib, und sie schrie, als tausendfache Emanationen von Schmerz in jeder einzelnen Zelle ihres Körpers widerhallten und vibrierten. Abrupt ließ sie die Sensoren fallen, wandte sich von Tufanglis ab und erneuerte ihre mentale Abschirmung. Zitternd suchte sie irgendwo nach Halt.
Es war ihr unmöglich, den Bewußtseinseinheiten im Seelenstein zu helfen. Ihre Qual war so unvorstellbar, daß Djamenah innerlich verbrannt wäre, hätte sie die Verbindung zu den empathischen Auren auch nur einige Sekunden länger aufrechterhalten. Angesichts einer derartigen Pein versagte sogar ihre Autogene Biokontrolle.
Tufanglis beugte
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