Akasha 01 - Die Renegatin von Akasha
kratzten noch immer an der Peripherie ihres Bewußtseins, doch Djamenah hielt ihre psychische Abschirmung weiterhin aufrecht, als sie Tufanglis beobachtete. Das Leuchten der Ergringe verblaßte, als seine Füße den Boden berührten und er die Sensoren von seiner Kopfhaut löste. Der Penis des Mannes sah aus wie eine dicke Wurst, die es irgendwie geschafft hatte, sich dem allgemeinen Auszehrungsprozeß zu entziehen. Zunächst beachtete der Perfektasket weder Djamenah noch den betrunkenen Sensiregisseur. Er trat an die computerartige Konsole heran, legte die Sensoren beiseite und betätigte einige Schaltungen. Dann drehte er sich um, verschränkte die dürren Arme vor der schmalen Brust und schloß die Augen. Eine ganze Zeitlang verharrte er in dieser Stellung, und Djamenah wurde immer unruhiger. Einerseits belastete sie die Nähe zum Seelenstein, und andererseits wußte sie, daß sie nicht noch mehr Zeit verlieren durfte, wollte sie nicht Gefahr laufen, von den Reisenden, die sie zuvor durch den Schwerkraftschacht hatte schweben sehen, als Messianermörderin denunziert zu werden.
Sie räusperte sich. »Tufanglis«, sagte sie, »es tut mir leid, wenn ich Sie in Ihrer Ruhe gestört haben sollte, aber ich ...«
Sie unterbrach sich, als der Perfektasket die Augen öffnete. Irgendwo in seinen dunklen Pupillen schien ein Feuer zu lodern, und die heißen Flammenzungen leckten nach Djamenah. Sie widerstand der Versuchung, sich einfach umzudrehen und fortzulaufen. Sie verstärkte statt dessen die Autogene Biokontrolle. Tufanglis war ein Empath mit starker natürlicher Begabung, und sein Versuch, sie zu sondieren, hatte sie überrascht. Aber andererseits war er nicht in eine Messianerlehre gegangen und konnte deswegen nur einen Teil seiner Fähigkeit bewußt nutzen.
»Sie sind tatsächlich ein Störfaktor«, erwiderte er in einem hohlen Baß. »Sie haben den Seelenstein berührt und die Maschen der Erkenntnismuster zerrissen, die ich in den vergangenen Tagen geknüpft habe. Wissen Sie, welche Mühe es macht, Ektoplasma zu manifestieren und in eine kontrollierte Form zu bringen?«
»Es ... es tut mir leid.«
»Das glaube ich Ihnen sogar. Aber es ändert nichts an dem Ergebnis Ihrer Einmischung.« Tufanglis' Stimme war monoton und ausdruckslos und stellte damit einen auffälligen Kontrast zu den glitzernden Augen des sehr dürren Mannes dar. Djamenah schreckte noch immer davor zurück, Lücken in den Mauern ihrer mentalen Abschirmung entstehen zu lassen; aber sie wußte das Funkeln und Gleißen in den dunklen Pupillen des Perfektasketen auch so zu deuten: Das Feuer, dessen Hitze sie zuvor für Sekundenbruchteile gespürt hatte, wurde von Fanatismus geschürt, einem religiösen Wahn ganz besonderer Art.
»Sie haben nicht nur versucht, einen meiner Prüflinge an der notwendigen Schmerzeinsicht zu hindern«, fuhr der Perfektasket fort. »Was an sich schon ein Grund für mich wäre, Sie aufzufordern, dieses Habitat sofort zu verlassen, sondern Sie wollten auch die Gedankenstrukturen im Seelenstein zerstören. Wenn ich Sie nicht daran gehindert hätte, wäre jetzt die geistige Arbeit vieler Normjahre umsonst.«
Djamenah deutete auf die Gesichter im Grau hinter der transparenten Wand. »Die Seelen leiden«, sagte sie. »Ich wollte ihnen nur helfen.«
»Schie ischt Schirischtin«, lallte Kaghall mit schwerer Zunge.
Djamenah starrte den betrunkenen Sensiregisseur erstaunt und erschrocken zugleich an, und Tufanglis sagte: »Verschwinden Sie, Kaghall.«
Der alte Mann beeilte sich, dieser Aufforderung nachzukommen. Djamenah wußte nicht zu sagen, ob es die Angst vor einem Entzug der Drehgenehmigung war oder allein die Präsenz Tufanglis' – der als Empath dazu fähig war, im Bewußtsein des Regisseurs Unbehagen und gehörigen Respekt zu erzeugen; jedenfalls wankte Kaghall unsicher an der Wand entlang und warf Djamenah einen vielsagenden Blick zu, bevor er im halbdunklen Korridor verschwand.
Er hat die ganze Zeit über gewußt, wer ich bin , dachte sie verwundert.
Tufanglis trat an den Seelenstein heran. »Der Körper«, sagte er mit ruhiger und dunkler Grabesstimme, »ist nur eine Hülle für den Geist, ein Werkzeug – und ein ziemlich unzureichendes dazu. Wenn sich eine Seele von dieser Hülle befreit, so kommt es einem Wechsel zu einer neuen Existenzform gleich. Veränderungen aber sind schmerzhaft, und für diese trifft das in einem ganz speziellen Maße zu. Vor dem Wandel muß der Geist gereinigt und geläutert werden,
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