Akasha 01 - Die Renegatin von Akasha
undeutlichen Emotiosignale des fremden Hirns – und auch die aller anderen Asketen – von kleinen, ebenfalls aus quasimaterieller Energie bestehenden Nabelschnüren abgesaugt wurden. Diese kabelartigen Vorrichtungen waren es auch, die die Körper in den schillernden Quadern am Leben erhielten.
»Das hier ischt der äuschere Zirkel«, lallte Kaghall, und er winkte. »Kommen Schie, kommen Schie.«
Sie wanderten an den energetischen Sarkophagen entlang, und Djamenah sah sich immer wieder um. Eine sonderbare empathische Beklemmung erfaßte sie, und sie hatte das Gefühl, sich in einer Gruft zu befinden, in einem riesigen Massengrab, dessen Tote jederzeit auferstehen konnten. Sie atmete auf, als sie die Halle verließen und durch einen weiteren halbdunklen Gang schritten, in dem nur hier und dort einige in die Decke eingelassene Leuchtplatten einen matten Lichtschein abstrahlten.
Die zweite Überraschung wartete in einer kleinen Kammer auf sie und bestärkte erneut das Unbehagen, das sie seit der Flucht aus dem Garten des Grünen Eden verspürte und immer nur zeitweise verdrängen konnte.
Ein unglaublich dünner, hagerer und ausgezehrter Humanoide schwebte durch den Raum, umhüllt von drei leuchtenden Ergringen, die sich dauernd aufeinander zubewegten und sich durchdrangen. Manchmal lösten sich kleine Funken von ihnen, sausten wie Irrlichter umher und verschwanden in den Sensorstutzen eines computerähnlichen Gerätes, das neben einem Sensiterminal auch ein dreidimensionales Projektionsfeld und mehrere andere Mechanismen aufwies, deren Zweck Djamenah unbekannt war.
Auf drei Seiten wurde die Kammer begrenzt von hellen Aluminiumwänden; die vierte Wand bestand nicht aus Metall, sondern einer Art Kristall, und von der anderen Seite her preßten sich Hunderte von kleinen Gesichtern dagegen, die Münder zu stummen Schreien geöffnet.
Djamenah gab einen ächzenden Laut von sich, sank auf die Knie und versuchte, das mentale Gellen der in dem Kristall gefangenen Gedanken von sich fernzuhalten. Sie brauchte eine ganze Weile, um ihr Bewußtsein abzuschirmen, und als sie sich wieder erhob, waren ihre Wangen blaß. Auf ihrer Stirn glänzten kleine Schweißtropfen.
»Dasch ischt der Seelenschtein Tufanglisch'«, lallte Kaghall und trank. »Hat einen schiemlichen Eindruck auf Schie gemacht, wasch?« Er zwinkerte. »Ohoh, ich glaube fascht, Schie schind mehr alsch nur eine einfache Heilerin ...«
»Ich ...«
Aber der alte und dickliche Mann deutete nur auf die über ihnen schwebende Gestalt und sagte: »Dasch ischt er höschtpersönlich: Tufanglisch, scheines Zeichensch Perfektaschket.«
Wie altes Pergament spannte sich vergilbte Haut über die sich deutlich abzeichnenden Knochen. Die weit geöffneten Augen des Perfektasketen lagen tief in den Höhlen. Er machte den Eindruck, als habe er schon seit vielen Tagen keine Nahrung mehr zu sich genommen, und wäre nicht der seltsam klare Blick seiner Augen gewesen, hätte Djamenah ihn für tot gehalten. Sie wagte es nicht, nach seinen Emanationen zu horchen, denn sie fürchtete einen neuen empathischen Schock durch das in dem Seelenstein wogende und immer wieder neu Gestalt annehmende Ektoplasma, von dem sie sich dennoch angezogen fühlte wie von einem Magneten.
Sie trat auf die Kristallwand zu und streckte langsam die Hand aus. Ihre Finger berührten keine feste Oberfläche, sondern drangen in das milchige Grau ein und verschwanden darin. Als sie die ganze linke Hand in den vermeintlichen Kristall geschoben hatte, zuckte irgendwo zwischen den winzigen Gesichtern, die noch immer schrien, obgleich Djamenah keinen Laut hörte, ein greller Blitz auf. Eine imaginäre Faust hämmerte wuchtig auf den Brustkasten Djamenahs ein und stieß sie abrupt zurück.
Djamenah stürzte zu Boden, rollte sich ab und blieb eine Zeitlang leise stöhnend liegen, während sie die Autogene Biokontrolle einsetzte, um den heftigen Schmerz aus sich zu verbannen. Als sie sich aufrichtete, sah sie, daß sich die Farbtönung der drei den Perfektasketen umhüllenden Ringe verändert hatte, und die dürre Gestalt Tufanglis' sank ihr entgegen.
Rasch stand sie auf und trat einige Schritte beiseite. Kaghall setzte immer wieder die Flasche an die Lippen, und in seinem fleischigen Gesicht zeichnete sich so etwas wie erschrockenes Unbehagen ab. Er fürchtete sich vor Tufanglis, und vielleicht bedauerte er nun, Djamenah in den inneren Zirkel geführt zu haben.
Die empathischen Schreie der im Grau gefangenen Seelen
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