Akasha 01 - Die Renegatin von Akasha
sich vor – es hatte den Anschein, als könne sein dürrer und ausgemergelter Leib angesichts dieser Bewegung jeden Augenblick zerbrechen –, nahm die Sensoren an sich und legte sie wieder neben das computerähnliche Gerät.
»Sie können den Entitäten deshalb nicht ihre persönliche und meiner Ansicht nach vollkommen abwegige Antwort auf die Frage nach dem Sein vermitteln, weil Sie nur unvollkommen dazu in der Lage sind, Ihre eigenen Empfindungen zu kontrollieren – trotz der Schulung durch einen Messianer –, und Ihr Ich andererseits eine zu feste körperliche Bindung aufweist. Meine Asketen aber, und ich ebenfalls, haben bereits eine höhere Existenz- und Erkenntnisstufe erreicht. Der Schmerz, den Sie eben spürten, und mit dem Sie offensichtlich nicht fertig wurden, dient nur dazu, die letzten Bande zu zerreißen, die die Seele noch am Körper festhält. Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Psychen in dem Seelenstein völlig autark sind. Und dann finden wir nicht nur die Antworten, nach denen wie bisher suchten, sondern wir werden auch auf neue Fragen stoßen – und das Formulieren von Fragen allein bedeutet schon eine mentale Progression.«
Er drehte sich wieder um und sah Djamenah an. »Gehen Sie jetzt, Ciristin. Verlassen Sie den Zirkel und dieses Habitat. Und kehren Sie nicht hierher zurück.« Die Stimme des Perfektasketen klang bei diesen Worten noch immer ruhig und monoton. Aber trotzdem strahlte der nackte und ausgezehrte Mann vor Djamenah eine Autorität aus, der sie sich kaum zu entziehen vermochte. »Und versuchen Sie nicht noch einmal, die Schmerzen meiner Asketen zu lindern. Sie würden mich dann zwingen, gegen Sie vorzugehen.«
»Bitte«, sagte Djamenah leise. »Ich brauche eine Auskunft von Ihnen. Kaghall ... Er sagte, der Messianer dieses Habitats haben Sie besucht, bevor er fortging. Ich muß mich dringend mit ihm in Verbindung setzen. Wo kann ich ihn finden?«
»Das weiß ich nicht«, erwiderte Tufanglis. »Aber er gab mir etwas: einen Datenchip, den ich einer ganz bestimmten Person aushändigen soll.« Er öffnete eine kleine Klappe an der Frontseite des Gerätes und zog eine gemaserte Siliziumscheibe daraus hervor.
Die jähe Enttäuschung wich einem neuen Hoffnungsschimmer. »Bitte geben Sie ihn mir.«
»Woher soll ich wissen, ob Sie die Person sind, für die die Botschaft gedacht ist?«
Djamenah suchte nach den passenden Worten. »Ich ... Ich kam zu einer Audienz mit dem Messianer«, log sie dann. »Er ... erwartete mich. Aber ich traf ihn nicht in seinem Denkenden Heim an, und ...«
»Sie sagen nicht die Wahrheit«, stellte der Perfektasket fest. »Und das beweist einmal mehr, wie wenig sie sich unter Kontrolle haben. Sie brauchen eine neue Dosis Ciri, und Sie lassen sich ganz von dieser körperlichen Notwendigkeit beherrschen.« Er warf ihr den Datenchip zu, hockte sich auf den Boden, stützte die Arme auf den Knien ab und schloß die Augen. Djamenah starrte ihn noch einige Sekunden lang an. Dann drehte sie sich um und kehrte den Weg zurück, den sie gekommen war.
5. Kapitel
Veränderung
Als sie durch die halbdunklen Gänge und Korridore des Oktaeders wanderte, wurde Djamenah in vollem Ausmaß bewußt, versagt zu haben.
Sie hatte weder dem Asketen draußen helfen können noch den Psychen im Seelenstein, und dieses Wissen war wie eine Fräse, die an ihrer mühsam aufrechterhaltenen Zuversicht hobelte. Zum ersten Mal in ihrem jahrhundertelangen Leben war sie nicht annähernd dazu in der Lage gewesen, ihrer Aufgabe gerecht zu werden, und die Worte des Perfektasketen Tufanglis hallten in ihr wie die düsteren Prophezeiungen einer ganz persönlichen Apokalypse.
Hatte sie sich tatsächlich so wenig unter Kontrolle, wie der dürre Mann mit den dunklen Augen behauptet hatte? Und hätte sie den Bewußtseinseinheiten im Seelenstein vielleicht helfen können, wenn sie fähig gewesen wäre, den von ihnen emittierten Schmerz auszuhalten? Nach wie vor war sie davon überzeugt, für sich selbst die richtige Antwort auf die Frage nach dem Sein gefunden zu haben. Der Auftrag, den sie von ihrem Präzeptor erhalten hatte, entsprach nicht nur ihrem innersten Wesen, sondern war auch zu ihrem Lebensinhalt geworden. Und wenn sie nicht mehr danach handeln konnte, wenn sie außerstande war, ihre empathische Mission zu bewältigen, so bedeutete dies, daß sie sich selbst verlor, daß sie ihre eigenen Charakteristika negierte. Djamenah versuchte, mit der sich auf diese dumpfe
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