Akasha 01 - Die Renegatin von Akasha
Verzweiflung, und Djamenah, Chela in der Mitte ihrer Ausbildung, war der Ansicht gewesen, es wäre schwerer, der Versuchung zu widerstehen. Aufgrund dieser Einstellung hatte sie stets die äußerste Umsicht und Achtsamkeit darauf verwendet, die Fallgruben des Hochmuts zu meiden, und es gab für sie in dieser Hinsicht keinerlei Anlaß zur Selbstkritik.
Doch die vergangenen Normstunden hatten in ihr eine gewisse Neigung zu der Auffassung begründet, daß es vielleicht doch härter, schwieriger sein mochte, sich dem Verzweifeln zu widersetzen. Die Willenskraft eines Einzelnen war letzten Endes trügerischer Boden; niemand konnte Unerträgliches lange genug erdulden, daß er nicht irgendwann alles getan, von sich aus alles zu tun angeboten hätte, nicht zu jeder Erniedrigung bereit gewesen wäre, um sich ihm zu entziehen.
Djamenah hatte es mit allem versucht, aber ohne Ergebnis. Die vier Gardisten, denen Kondottiere Lachenal sie ausgeliefert hatte, ein Quartett der Wortkargheit, wollten keine Auskünfte oder Antworten, stellten keine Forderungen, verlangten nichts, hatten sie keinem Verhör unterworfen; gewaltsames Entkleiden, Mißhandlungen des Körpers, Anspeien, eine Fülle zahlloser brutaler Berührungen, Abrasieren sämtlicher Haare, wiederholte gleichzeitige Vergewaltigungen in Scheide, Anus und Mund, Verabreichung von Brech- und Abführmitteln, stundenlang-stundenlang-stundenlang, waren weniger um der Schmerzen willen geschehen, als hauptsächlich mit dem Ziel der vollständigen Zerstörung ihrer Integrität, ihrer Menschenwürde, in der Absicht, ihren Willen restlos zu brechen, ihr Selbstwertgefühl auszumerzen, und kein Flehen, kein Kriechen konnten der Quälerei vor dem Eintreten des vollen Erfolges ein Ende machen, weil sie lediglich der Vorbereitung auf etwas anderes diente, das noch bevorstand.
Kein nackter Mensch vermochte während einer solchen Behandlung Würde oder Haltung zu bewahren. Als sie nur noch kreischte, in einem fort, ohne Atem zu schöpfen, erstickte man ihr Heulen der Hysterie mit einem Gummiknebel, und zum Schluß lag sie in Erbrochenem, Kot und Urin da, ohne sich länger davon verschieden zu fühlen, sogar zu schwach zum Stöhnen.
Weitere Stunden hindurch hatte sie in einer Zelle, mehrere Tiefetagen unter der Residenz des Chef-Genetikus befindlich, auf einer Plastikpritsche geruht, nur ein Spottbild ihrer selbst, die Tränen versiegt, an Leib und Seele nichts als Abgestorbenheit, morsch und mürbe geworden auf dem Amboß undurchsichtiger Pläne.
Schließlich kam ein Zeitpunkt, an dem sie wieder genügend Kraft zu klaren Gedanken hatte; doch was ihr anfänglich durch den Kopf ging, empfand sie nahezu wie ergänzenden Hohn.
Liebe und Harmonie. Sie war sich keineswegs noch sicher, ob es so etwas überhaupt gab. Erstmals seit Jahrhunderten schloß sie nicht die Möglichkeit aus, daß sie ihr Dasein zwecklos idealistischen Phantomen geweiht hatte!
Laß dich durch nichts von deinem Weg abbringen. Diesem Rat schien nun jeglicher Sinn zu ermangeln. Ihr war die Menschlichkeit so weit ausgetrieben worden, daß nicht einmal eine so ursprüngliche Regung wie Trotz übrigblieb, kein Wunsch, je wieder irgendeinen Weg zu beschreiten. Sie hatte ihren Weg verwirkt.
Verliere nie den Mut. Aber man konnte nicht verlieren, was man nicht besaß; sie hatte Arglosigkeit und Blindheit mit Mut verwechselt.
Ganz und gar Elend und Erbärmlichkeit, rührte sie keinen Finger, während sie darauf wartete, daß die Reflexe der Autogenen Biokontrolle ihre Wirkung zeitigten, das Weh ihres geschundenen Körpers abklang; oder daß sie an der Demütigung starb, oder jemand kam und sie tötete; oder sich sonst irgend etwas ereignete, das unter ihr Leid einen Schlußstrich zog.
Doch Tod war eine zu einfache Lösung, und das Leben pflegte die einfachen Lösungen zu scheuen. Statt dessen versah es sie mit dem Trostpreis einer lange vergessen gewesenen Erkenntnis, die lautete: Schmerz ist ein Gefühl wie jedes andere.
Von da an ließ sie die Anwandlungen des Grams, der Scham, des Jammers und Schwermuts, all den Ekel und die Trauer, kommen und gehen, so wie sie auftraten, eine Aneinanderreihung von Unlustgefühlen, die sie peinigen, ihr jedoch nichts anhaben konnten.
Die Maximen der Messianer berücksichtigten durchaus die Existenz von Verbrechen und Tyrannis, so wie sie die Gefahr beachteten, daß Ciristen sich zu Dünkel und Vermessenheit verstiegen. Deshalb schärften die Präzeptoren ihren Adepten ein, sich weder
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