Akasha 03 - Das Exil der Messianer
ihn sogar dazu, sich zu entkleiden, und ein Wesen, das aussah wie eine Mischung aus Ochsenfrosch und Beuteltier, führte ihm eine Sonde in den After ein, um sich zu vergewissern, daß er in seinem Darm keine Mikrokapseln bei sich führte, die die Atmosphäre im Innern der Zitadelle mit einem tödlichen Nervengift anreichern könnten. Sein Hinweis, er sei Magister, ließ die Biotiker unbeeindruckt. Sie handelten nur auf der Grundlage des Aktivierungsbefehls, und alles andere interessierte sie nicht.
Der Gagòsch schlief. DeTschenri beneidete ihn darum.
Er beobachtete das Pflanzenwesen, dessen Wurzeln in einem großen Nährtrunk ruhten. Die Äste und Zweige reichten bis an die durchsichtige Decke des Saales empor, hinter der die lohfarbenen Methan- und Ammoniakschwaden drifteten. Verbunden war der Gagòsch mit einem Hochleistungscomputer, dessen DV-Anlagen in den Boden integriert waren. Das intelligente Pflanzenwesen gehörte ebenfalls der Loge der Litiganten an und nahm den Rang eines Neophyten ein. Aufgrund seiner besonderen Begabung und mit Hilfe des Computers verarbeitete es alle neuen Informationen, die im Analyse-Center des Magistrats eintrafen, hielt DeTschenri somit immer auf dem laufenden.
Jetzt jedoch schlief es. DeTschenri sehnte sich ebenfalls danach, ausruhen zu können, doch es gab zu viel zu tun, zu viel zu planen, zu entscheiden. Er verließ den Saal mit dem Gagòsch, suchte die Übertragungskammer auf und beauftragte den dortigen Simulator mit einer Projektion. Nach seinem Terminkalender begann das nächste Symposium der Neuen Akashaner in dreißig Normminuten, und man erwartete von ihm eine längere Ansprache, zu der ihm die Zeit fehlte. Die Projektion jedoch – die dazu notwendige Technik stammte ebenfalls aus dem Arsenal des Magistrats – ließ sich nur mit komplexen Kontrollmaßnahmen von der Realität unterscheiden.
Anschließend verfaßte DeTschenri eine Meldung im Alpha-Code und begab sich in einen trommelartigen Auswuchs, der knapp hundert Meter weit aus der eigentlichen Zitadelle ragte. Dort ließ er sich in einem freischwebenden Ergsessel nieder und beobachtete die Medusen, die jenseits der durchsichtigen Wand in den Niedrigdruckzonen schwebten. Fünfunddreißig Stunden ohne Schlaf. So konnte es nicht weitergehen. Trotz der biochemischen Unterstützung des Symbionten hatte er nahezu seine Belastungsgrenze erreicht.
Der erneute Fehlschlag eines Transferexperiments gab ihm nicht nur zu denken, sondern bewirkte in ihm auch ein dumpfes Unbehagen. Er machte sich nichts vor: Er war in erster Linie deshalb zum Nachfolger des ums Leben gekommenen Magisters bestimmt worden, weil er die baldige Lösung der Erbrechtsfrage versprochen hatte. Und für den Fall, daß er dieses Versprechen nicht einlösen konnte, mußte er mit ernsten Konsequenzen rechnen. Fran Brigge und Wallmond warteten nur auf eine Gelegenheit, um sich zu rächen.
Es knisterte leise im Ohrpfropfen des Kommunikators, und DeTschenri schrak hoch, stellte überrascht fest, daß er eingenickt war. »Ja?«
»Ich habe mich eben gerade mit den letzten von dem Gagòsch vorgenommenen Datenanalysen befaßt«, meldete sich die wie immer nervös und aufgeregt klingende Stimme Vandenbrechts, »und bin dabei auf einen interessanten Punkt gestoßen; ja, ich möchte fast sagen ...«
DeTschenri seufzte. »Kommen Sie zur Sache.«
»In den Informationsspeichern des Demos der Demarkatoren wurden einige Manipulationen vorgenommen, und dahinter stecken vermutlich Mittelsleute fran Brigges. Es steht zu befürchten, daß er weiß, worum es bei dem Genprojekt geht, an dem er selbst, wenn auch in einer untergeordneten Rolle, mitarbeitet.« Vandenbrecht sprach nun erstaunlich beherrscht. »Aufgrund seines Psychoprofils sind Sabotageakte nicht auszuschließen. Darüber hinaus deutet alles darauf hin, daß der Biospezialist Ergestius Shryder in einem Abhängigkeitsverhältnis zu fran Brigge steht, was zumindest zum Teil die wiederholten Fehlschläge bei den Transferexperimenten erklären könnte.«
DeTschenri beugte sich im Sitz vor. »Nennen Sie mir Einzelheiten.«
Er hörte ruhig zu; und anschließend handelte er. Schließlich war Patric DeTschenri ein Mann der Tat.
Alpha-Code: *** 4423–12–23 ***
Verehrte Kollegen, es freut mich, Ihnen mitteilen zu können, daß die ökonomische Reprojektierung in bezug auf meine beiden Logenprotektorate inzwischen nahezu abgeschlossen ist. Ich bin davon überzeugt, sie führt mittelfristig zu einer
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