Akt der Liebe - Lansdale, J: Akt der Liebe - Act of Love
umgegangen. Er hatte gewusst, dass sein Opfer aus dem Ward kommen würde - er war fest entschlossen gewesen, die Ängste seiner Kindheit auszulöschen -, aber er hatte sein Vorgehen nicht bis ins kleinste Detail geplant. Er hatte das Auto gestohlen und das Opfer zufällig ausgewählt, sie überrumpelt und in die Seitenstraße gedrängt. Aber von nun an wollte er sie sorgfältiger auswählen, sich mit ihren Gewohnheiten vertraut machen, mit ihren Namen … das langbeinige, blonde Mädchen zum Beispiel, dem er diese Woche gefolgt war. Evelyn. Süße Evelyn.
Während er an sie dachte, glitt er aus dem Halbschlaf hinüber in seine Traumwelt.
Er badete. Nicht in Wasser, sondern in einer Mischung aus Blut, Urin und Kot. Er lag in einer massiven, tiefen Wanne, wusch sich mit dem Blut und dem Dreck, rieb es sich ins Haar, tauchte unter und versank in den Tiefen, schmeckte es, ließ es sich in die Augen laufen …
… und die Wanne stand auf einer belebten Straße. Frauen liefen vorbei. Nur mit Höschen und hochhackigen Schuhen bekleidet. Die Höschen schimmerten in allen Regenbogenfarben. Alle Frauen sahen aus wie Evelyn, groß, blond, mit gebräunten, muskulösen Beinen. Sie gingen vorbei und sahen ihn an.
Eine zögerte, streifte ihre Schuhe ab, zog ihr Höschen aus und ließ es in die Wanne fallen. Das Höschen sog sich voll, wurde schwerer und versank. Sie drehte ihm den Rücken zu und hockte sich mit dem Arsch über den Wannenrand … sie pinkelte ihn an, pinkelte in sein Gesicht. Die anderen Frauen liefen im Kreis um die Wanne, um zuzuschauen.
Und der Urin wurde zu Blut.
Nach dem erholsamen Schlaf fühlte er sich wie ein Vampir, der sich zu seinem nächtlichen Festmahl erhebt.
Er sah auf die Uhr.
19.38 Uhr.
Sehr gut. Es blieb ihm noch gut eine Stunde, bevor Evelyn aus der Abendschule kam. Jede Menge Zeit.
Ein Schub plötzlicher Leidenschaft durchzuckte sein Rückgrat wie ein eiskalter Schauder. In freudiger Erwartung fingen seine Hände an zu zittern.
»Bald«, sagte er laut. »Bald, süße Evelyn, bald.«
KAPITEL 2
FREITAG ♦ 21.18 Uhr
Die Abendschule war eine Quälerei. Dessen war sich Evelyn DeMarka sicher. Doch abgesehen von der Disco langweilte sie momentan alles. Tagsüber als Sekretärin zu arbeiten und dann die halbe Nacht dieser Kurs in Buchhaltung. Dieses Auf-eigenen-Füßen-Stehen war fast wie eine Strafe.
Evelyn stellte ihren Plymouth auf dem Parkplatz der Western Division Apartments ab, stieg aus und ging zum Haus.
Auf dem Weg zur Eisentreppe, die zu ihrem Apartment im ersten Stock führte, tröstete sie sich damit, dass es immer mal wieder Gnadenfristen gab. In Form einer heißen Dusche, einem Kaffee und Frank, der um elf kommen würde. Heute Abend würden sie es sich richtig gemütlich machen, die allerletzte Late-Show sehen - vorausgesetzt, sie würden zu diesem Zeitpunkt nicht ihre eigene, wesentlich unterhaltsamere Show veranstalten - und morgen dann das geplante Picknick. Und als krönenden Abschluss einen Abend in der Lost Weekend Disco.
Yeah, so war das Programm. Am Sonntag würden sie relaxen. Es könnte ihr sogar gelingen, Frank zu überreden, mit ihr zusammenzuziehen.
Sie hörte ein Geräusch und verlangsamte ihren Schritt.
Nichts. Da war nichts weiter.
Sie setzte ihren Weg fort, hatte die Treppe fast erreicht.
Es schepperte bei den Mülltonnen.
Evelyn blieb stehen, die Bücher unter den Arm geklemmt, und lauschte. Es war nichts mehr zu hören.
Wahrscheinlich eine Katze. So einfach war das. Eine Katze, die den Abfall durchstöberte. Sie ging rasch die Treppe hinauf.
Etwas packte sie am Fußgelenk.
Sie schrie. Ihre Bücher und Hefte flogen durch die Luft, und sie stolperte rückwärts. Kurz bevor sie mit dem Rücken auf die erste Stufe aufschlug, begriff sie, was geschehen war.
Jemand hatte zwischen die Stufen gelangt und ihr Fußgelenk umklammert. Jemand, der sich im Dunkeln versteckt hatte. Jemand mit eisernem Griff.
Beim Aufprall auf die Stufe durchfuhr ein Schmerz explosionsartig ihren ganzen Körper. Es war, als trüge die gesamte Weltbevölkerung Spikes und spazierte damit ihre Wirbelsäule rauf und runter.
Sie öffnete ihren Mund, wollte schreien. Eine Stimme, hart wie ein Stein, kalt wie Eis, sagte: »Schreist du noch einmal, schneide ich dir das Herz heraus.«
Evelyn unterdrückte den Schrei. Jetzt sah sie ein Gesicht zwischen den Stufen. Die Augen hatten etwas Dämonisches. Der Arm des Mannes war der Länge nach ausgestreckt, seine mit einem Handschuh
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