Akte Atlantis
abhingen, war alles andere als angenehm, aber es verlieh ihm auch den nötigen Antrieb, um trotz des heulenden Windes und der stechenden Eiskristalle weiter auf Kurs zu bleiben. Er durfte nur nicht daran denken, dass er in eine Spalte geraten könnte, die er bei diesen Witterungsbedingungen nicht rechtzeitig sah. Am vernünftigsten wäre es gewesen, mit dem Snow Cruiser nur mehr Schritttempo zu fahren und Giordino Vorweggehen und das Eis überprüfen zu lassen. Aber erstens hätte er dadurch das Leben seines Freundes aufs Spiel gesetzt, und zweitens verlören sie kostbare Zeit, und das konnten sie sich beim besten Willen nicht leisten. Sein rechter Fuß war inzwischen so gefühllos, dass er ihn kaum noch bewegen konnte, daher ließ er ihn einfach auf dem bis zum Anschlag durchgetretenen Gaspedal stehen.
Die Fahrt über das tückische und trügerische Eisfeld war der reinste Albtraum in Weiß geworden.
Aber es gab kein Zurück mehr. Entweder sie brachten ihre Aufgabe zu Ende, oder sie starben. Der Wind heulte nach wie vor mit unveränderter Gewalt. Pitt wischte schließlich die dicker werdende Eisschicht vom Armaturenbrett. Die Nadeln der Temperaturanzeiger verließen allmählich den roten Bereich.
Aber wenn er und Giordino ihr Ziel ohne weitere Unterbrechungen erreichen wollten, mussten die Motoren noch um mindestens zehn Grad abkühlen.
Er kam sich vor wie ein Blinder, der sich nicht einmal mehr durch die Welt tasten kann. Seine Hände und Füße wurden nach kurzer Zeit taub, sodass er kein Gefühl mehr in ihnen hatte. Sein Körper wollte ihm nicht mehr gehorchen. Er konnte kaum noch atmen, denn die bittere Kälte versengte ihm schier die Lunge.
Der Frost, der trotz der dicken Kleidung durch die Haut drang und ihm fast das Blut gefrieren ließ, und der brennende Schmerz, der ihn quälte, laugten ihn aus. Er hätte nie gedacht, dass man so schnell erfrieren konnte. Er musste alle Willenskraft aufbieten, damit er nicht aufgab und Giordino aufforderte, die Tür zuschließen. Aber sie durften nicht versagen, und wenn der Wind noch so grimmig pfiff.
Pitt hatte dem Tod schon früher ins Antlitz geblickt, ohne sich von ihm schrecken zu lassen. Solange er noch atmete und einigermaßen klar denken konnte, hatte er eine Chance. Wenn nur der Wind nachlassen wurde. Er wusste, dass sich antarktische Stürme genauso schnell wieder legen konnten, wie sie aufgezogen waren. Warum vergeht der hier nicht?, murmelte er fast flehentlich vor sich hin. Eine schreckliche Leere überkam ihn. Sein Blickfeld wurde enger und trübte sich allmählich, und die Nadeln hatten sich noch immer nicht bei normaler Betriebstemperatur eingependelt.
Er war nicht der Typ, der sich unsinnigen Hoffnungen hingab.
Er glaubte an sich, an Giordino und daran, dass ihnen das Glück stets hold war. Gegen den Allmächtigen war auch nichts einzuwenden, wenn er ihnen denn beispringen wollte. Pitt dachte nicht daran, aus freien Stücken in die ewigen Jagdgründe einzugehen. Er war immer davon überzeugt gewesen, dass man ihn dorthin schleifen musste, sei es durch Engel oder Dämonen, denn er würde bis zuletzt kämpfen.
Außerdem war noch längst nicht entschieden, wo er letztlich landen würde, ob seine Tugenden überwogen oder seine Laster.
Er wusste lediglich, dass er in dieser Angelegenheit nichts mitzureden hatte und dass er in wenigen Minuten zu einem Eisblock erstarrt sein würde.
Beinahe hätte er nachgegeben und das Handtuch geworfen, doch erzwang sich dazu, noch zehn Minuten durchzuhalten. Er hatte nicht den geringsten Zweifel, dass er und Giordino die Sache gemeinsam durchstehen würden, und er verlor auch nicht einen Moment lang die Nerven.
Erst kommen die Motoren, dann ich, und danach können wir die Welt retten. Nur in dieser Reihenfolge, dachte er. Er rieb das Eis von seiner Schutzbrille und sah, dass die Nadeln an beiden Instrumenten rasch fielen und schon fast auf normaler Betriebstemperatur standen.
Noch zwanzig Sekunden, sagte er sich, dann noch zwanzig.
Wie lautete doch der alte Spruch? »Einer, einer, einer geht noch rein.« Dann die Erleichterung und das Hochgefühl, als beide Nadeln fast wieder im normalen Bereich standen.
Er musste Giordino nicht zurufen, dass es so weit war. Der kleine Italiener spürte es sofort, als er kurz die Hand auf die Kühler legte. Er schlug die Tür zu, damit der eisige Wind nicht mehr eindringen konnte, und stellte die Heizung so hoch wie möglich. Dann hastete er hinauf ins Führerhaus und zerrte
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