Akte Atlantis
rann ihnen das Regenwasser in den Kragen und sickerte in die Sachen, die sie darunter trugen.
Gunn reichte Giordino eine Thermosflasche mit Kaffee, der mittlerweile nur noch lauwarm war. Ihr Mittagessen bestand aus vier Müsliriegeln.
Noch war ihnen nicht ernstlich elend, aber lange würde es nicht mehr dauern.
»Es muss ganz in der Nähe sein«, sagte Gunn, nachdem er einen Blick durch das Fernglas geworfen hatte. »Hinter dem großen Felsbrocken da vorn ist kein Weg mehr zu sehen.«
Giordino schaute zu dem mächtigen Block, der quer über den Weg ragte. »Wehe, dahinter ist keine Kammer«, knurrte er. »Ich habe keine Lust, die Nacht auf dem kahlen Berg zu verbringen.«
»Keine Sorge. In diesen Breitengraden bleibt es noch fast zwölf Stunden lang hell.«
»Mir ist bloß grade was eingefallen.«
»Und zwar?«, fragte Gunn.
»Dass wir weit und breit die einzigen Menschen sind.«
»Einfach herrlich, wenn man’s recht bedenkt.«
»Und was ist, wenn einem von uns irgendwas zustößt und wir nicht von hier wegkommen? Bei dem Wind zum Beispiel könnte ich beim besten Willen nicht starten.«
»Dann schickt uns der Admiral einen Rettungstrupp, sobald wir ihm unsere Lage schildern.« Gunn griff in seine Jackentasche und zückte das Globalstar-Satellitentelefon. »Ein Anruf genügt.«
»Und in der Zwischenzeit futtern wir diesen Stinkekohl. Nein, danke.«
Gunn schüttelte schicksalsergeben den Kopf. Giordino meckerte immer über irgendwas, aber wenn es darauf ankam, konnte man sich hundertprozentig auf ihn verlassen. Keiner der beiden Männer hatte das Gefühl, dass ihnen hier irgendeine Gefahr drohte. Wenn überhaupt, dann hatten sie allenfalls Angst vor einem Misserfolg.
»Wenn wir die Kammer finden«, rief Gunn lauthals, um das Sturmgeheul zu übertönen, »suchen wir uns erst mal einen windgeschützten Platz und trocknen unsere Sachen.«
Giordino raffte sich sofort auf. »Dann nichts wie los«, sagte er. »Ich komme mir allmählich vor wie ein lauwarmer Mopp in einem Eimer voll kaltem Wischwasser.«
Ohne auf Gunn zu warten, marschierte er auf den Felsen zu, der etwa fünfzehn Meter vor ihnen aufragte. Von dort aus führte der Weg steil bergan, zu einer hohen Wand hinauf. Stellenweise war er weggebrochen, sodass sie mühsam außen herumklettern mussten. Dann endlich standen sie vor dem Eingang zu der Kammer und sahen den Torbogen, der eindeutig von Menschenhand stammte. Er war kleiner, als sie ihn sich vorgestellt hatten – etwa einen Meter achtzig hoch und knapp anderthalb Meter breit, ebenso breit wie der Weg, der sich dort in diesem schwarzen, unheilschwangeren Loch verlor.
»Da ist er, genau wie der Oberst ihn beschrieben hat«, sagte Gunn.
»Einer von uns sollte jetzt vermutlich heureka schreien«, rief Giordino, froh darüber, dass er endlich aus dem Wind und dem Regen wegkam.
»Ich weiß nicht, was du vorhast, aber ich will erst mal meinen Rucksack und das Ölzeug loswerden und es mir gemütlich machen.«
»Ich bin dabei.«
Ein paar Minuten später hatten sie ihre Rucksäcke abgeschnallt und das Ölzeug im Tunnel ausgebreitet, wo sie es bis zum Rückmarsch zu ihrer Maschine liegen lassen wollten.
Sie holten Taschenlampen aus ihren Rucksäcken, tranken einen letzten Schluck Kaffee und drangen dann tiefer in das unterirdische Gewölbe vor. Die Wände waren glatt und ebenmäßig aus dem Fels gehauen. Der Gang hatte etwas Eigenartiges und Befremdliches an sich, ein Eindruck, der durch die unheimliche Dunkelheit und das Heulen des Windes draußen vor dem Höhlenloch noch verstärkt wurde.
Sie gingen weiter, teils neugierig, teils beklommen, leuchteten mit ihren Taschenlampen voraus und fragten sich, was sie hier wohl finden würden. Mit einem Mal wurde der Gang breiter und mündete in eine viereckige Kammer. Giordino verkrampfte sich unwillkürlich und schaute mit starrem Blick auf den Boden, als der Lichtstrahl ein menschliches Skelett erfasste – einen Fuß, einen Oberschenkelknochen, das Becken, die Rippen, die Wirbelsäule samt Schädel, an dem noch vereinzelte rote Haare hafteten. Die Überreste der zerlumpten und vermoderten Kleidung klebten noch an den Knochen.
»Wie mag der arme Teufel wohl hierher gekommen sein?«, sagte Gunn, dem etwas mulmig zu Mute war.
Giordino ließ den Lichtstrahl seiner Lampe durch die Kammer schweifen und entdeckte eine kleine Feuerstelle und diverse Werkzeuge und Geräte, die allem Anschein nach von Hand aus Holz und Lavagestein gefertigt waren. In der Ecke
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