Akte Atlantis
verdammt geheimnisvoll getan. Er hat kein Wort darüber verloren, dass du kommst.«
»Er hat seine Gründe.« Pitt stellte seinen Aktenkoffer auf den Kartentisch und reichte Gillespie ein Blatt Papier mit einer Reihe von Koordinaten.
»Das ist unser Bestimmungsort.«
Der Kapitän musterte die Koordinaten und suchte die entsprechende Seekarte heraus. »Die Stefansson Bay«, sagte er leise. »Das ist hier in der Nähe, an der Kempküste, nicht weit von den Hobbs-Inseln entfernt. Für uns nicht weiter interessant.
Einer der ödesten Landstriche, die ich je gesehen habe. Was suchen wir dort?«
»Ein Schiffswrack.«
»Ein Wrack unter dem Eis?«
»Nein«, sagte Pitt mit einem schiefen Grinsen. »Ein Wrack im Eis.«
Die Stefansson Bay wirkte noch trostloser und abweisender, als Gillespie sie geschildert hatte, zumal der Himmel mit dunklen, beinahe kohlschwarzen Wolken verhangen war und tückische Eisschollen auf der düsteren See trieben. Der Wind pfiff, als wäre die Luft mit tausend Nadeln gespickt, und Pitt bekam allmählich eine Vorstellung davon, welche Strapazen ihn erwarteten, wenn er das Packeis überqueren und zur Küste des sechsten Kontinents vordringen wollte. Doch beim bloßen Gedanken daran, dass er ein Schiff entdecken könnte, das seit dem Jahr 1858 niemand mehr betreten hatte, packte ihn die Abenteuerlust.
Ob es wohl noch da ist, fragte er sich, wo Roxanna Mender und ihr Mann es vor fast hundertfünfzig Jahren vorgefunden haben? Oder ist es mittlerweile vom Eis zermalmt, hinaus aufs Meer geschoben worden und versunken?
Gillespie stand auf der Brückennock und hatte das Fernglas auf das breite Kielwasser des Schiffes gerichtet, als Pitt zu ihm stieß. »Hältst du Ausschau nach Walen?«, fragte er.
»Nach U-Booten«, antwortete Gillespie trocken.
Pitt dachte, der Kapitän wollte ihn veräppeln. »In diesem Teegebiet dürfte es nicht viele Wolfsrudel geben.«
»Eins reicht schon.« Gillespie schaute unverwandt durch das Glas. »U-2015. Es folgt uns schon seit zehn Tagen, seit wir es beinahe gerammt hätten.«
Pitt war sich immer noch nicht sicher, ob er richtig gehört hatte.
»Meinst du das ernst?«
Gillespie senkte schließlich das Glas. »Durchaus.« Dann berichtete er Pitt von der Begegnung mit dem U-Boot. »Ich habe es anhand eines alten Fotos in meiner Bibliothek erkannt. Für mich gibt es da nicht den geringsten Zweifel. Es handelt sich eindeutig um ein U-2015. Frag mich nicht, woher es nach all den Jahren kommt und warum es uns verfolgt. Ich kann’s dir nicht sagen. Ich weiß lediglich, dass es da draußen ist.«
Pitt hatte im Lauf der Jahre bei mindestens vier Projekten mit Gillespie zusammengearbeitet. Er wusste, dass er einer der zuverlässigsten Kapitäne in der gesamten Forschungsschiffflotte der NUMA war. Dan Gillespie war weder ein Spinner noch ein Fantast. Er war ein nüchterner, entschlossener Mann ohne Fehl und Tadel. Unter seinem Kommando war es noch nie zu einem Unfall, einer Verletzung oder einem schweren Schaden gekommen.
»Wer kommt denn auf die Idee, dass nach so vielen Jahren…«
Pitt verstummte. Er wusste nicht recht, was er sagen sollte.
»Ich weiß genau, dass du meinst, ich wäre reif für die Zwangsjacke«, sagte Gillespie ernst. »Aber ich kann’s beweisen. Miss Evie Tan, eine Journalistin, die an Bord ist, um eine Reportage über die Expedition zu schreiben, hat das U-Boot fotografiert, als wir es um ein Haar gerammt hätten.«
»Siehst du irgendeine Spur davon?«, hakte Pitt nach. »Ein Periskop oder den Schnorchel?«
»Es tut ziemlich scheu und bleibt tief unten«, antwortete Gillespie.
»Und woher willst du dann wissen, dass es da draußen ist?«
»Einer unserer Wissenschaftler hat seine Unterwassermikrofone ausgebracht – normalerweise zeichnet er damit Waltöne auf. Wir haben das Aufnahmegerät eine gute Viertelmeile hinter dem Schiff hergezogen. Dann habe ich die Maschinen abstellen lassen. Schließlich handelt es sich nicht um ein modernes Atom-U-Boot, das lautlos durch die Tiefe gleiten kann. Wir haben seine Maschine laut und deutlich gehört.«
»Keine schlechte Idee, aber ich hätte einen Wetterballon mit einem herunterhängenden Magnetometer hinter dem Schiff hergezogen.«
Gillespie lachte. »Auch nicht schlecht. Wir haben überlegt, ob wir unser Sidescan-Sonar einsetzen sollen, aber für einen guten Empfang hätten wir längsseits gehen müssen, und das war uns zu heikel. Ich hatte gehofft, dass uns vielleicht jetzt, da du an Bord bist,
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