Akte Atlantis
Polarhandschuhen.
»Noch ein Freiwilliger?«
»Meine Idee«, erwiderte Gillespie. »Ich kann nicht zulassen, dass einer von Admiral Sandeckers Projektleitern allein über das unberechenbare Eis latscht. Das kann ich nicht verantworten.
Auf die Art habt ihr bessere Überlebenschancen, falls ihr in Schwierigkeiten geraten solltet. Und wenn ihr auf einen Eisbären stoßt, ringt Cox ihn einfach nieder.«
»In der Antarktis gibt es keine Eisbären.«
Gillespie schaute Pitt an und zuckte die Achseln. »Wozu ein Risiko eingehen?«
Pitt erhob keine Einwände. Insgeheim wusste er, dass ihm die beiden Männer möglicherweise das Leben retten könnten, falls es zum Schlimmsten kommen sollte.
Im Herbst wird das Meer rund um die Antarktis von schweren Stürmen aufgewühlt, doch wenn der Winter anbricht und die Temperaturen sinken, wird das Wasser zähflüssiger und sulzig.
Dann verklumpen die Eispartikel zu tellergroßen Schollen, dem so genannten Tellereis, die immer größer werden, sich verbinden und schließlich das schneebedeckte Packeis bilden.
Da das Wasser in diesem Jahr ungewöhnlich früh überfroren war, konnten Pitt, Northrop und Cox ungehindert über den welligen, aber einigermaßen ebenen Untergrund marschieren.
Sie mussten lediglich etliche Eisgrate und zwei Eisberge umgehen, die von der Küste weggetrieben und schließlich im Packeis festgefroren waren. Für Pitt sah dieses Eisfeld wie ein ungemachtes Lotterbett aus, über das eine weiße Decke geworfen worden war.
Forschen Schrittes marschierten sie dahin, ließen sich auch durch den gut dreißig Zentimeter tiefen Pulverschnee nicht aufhalten, durch den sie stapfen mussten. Northrop ging voraus, musterte im Vorübergehen das Eis und achtete auf Unregelmäßigkeiten und Risse. Er zog keinen Schlitten, da er darauf verwiesen hatte, dass er beim Erkunden des Eises mehr Bewegungsfreiheit bräuchte. Pitt, der vor einen Schlitten gespannt war, konnte ihm auf seinen Langlaufskiern, die er aus der Hütte seines Vaters in Colorado hatte hierher verfrachten lassen, mühelos folgen. Cox bildete die Nachhut. Er trug Schneeschuhe und zog die beiden übrigen Schlitten hinter sich her, als wären es Spielzeuge.
Das vordem so herrliche Wetter mit gleißendem Sonnenschein und strahlend blauem Himmel wurde schlechter, und am Horizont zogen Wolken auf. Der Himmel wurde allmählich grau, bis die Sonne nur mehr wie eine fahle, orangerote Scheibe über ihnen stand.
Leichter Schneefall setzte ein und trübte die Sicht. Pitt achtete nicht auf die Witterungsverhältnisse, und er verdrängte auch jeden Gedanken an das grüne, eiskalte Wasser unter seinen Füßen. Ständig blickte er zu den Klippen, die höher und immer höher aufragten, je näher sie kamen. Er sah die schroffen, eisfreien Felsen der Hansen-Kette weiter im Inland, aber nach wie vor keine Spur von einem im ewigen Eis liegenden Geisterschiff. Allmählich kam er sich wie ein Eindringling vor in diesem weiten, unberührten Land, in dem es keinerlei menschliche Ansiedlungen gab.
Nach etwas über einer Stunde hatten sie das Packeis überquert und den Fuß der Klippen erreicht. Gillespie behielt sie auf Schritt und Tritt im Auge, bis sie am Küstensaum Halt machten.
Mit ihren türkisfarbenen NUMA-Schneeanzügen waren sie in der Eiswüste gut zu erkennen.
Zum zehnten Mal nahm er sich den Wetterbericht vor.
Bislang fiel nur leichter Schnee, und es ging kein Wind, aber er wusste, dass sich das binnen weniger Minuten ändern konnte.
Vor allem der Wind war unberechenbar. Der konnte die eisig glitzernde Landschaft da draußen unverhofft und ohne jede Vorwarnung in eine weiße Hölle verwandeln.
Gillespie griff zum Satellitentelefon des Schiffes und wählte eine Nummer. Er wurde sofort mit Sandecker verbunden. »Sie sind an der Küste und beginnen mit der Suche«, teilte er seinem Chef mit.
»Besten Dank, Dan, erwiderte Sandecker. »Geben Sie mir Bescheid, wenn Sie zurück sind.«
»Da wäre noch was, Admiral. Ich fürchte, wir sind hier in eine ziemlich undurchsichtige Geschichte reingeraten.« Dann berichtete er Sandecker von dem U-Boot. Als er fertig war, herrschte am anderen Ende zunächst Schweigen. Der Admiral musste die Mitteilung erst einmal verdauen.
»Ich kümmere mich darum«, erwiderte er kurz und knapp.
Gillespie griff wieder zu seinem Fernglas und spähte durch das breite Brückenfenster. »Und all das nur wegen eines Schiffswracks«, murmelte er vor sich hin. »Hoffentlich ist es das wert.«
Pitt
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