Akte Mosel
sinkt er auf alle Viere und krabbelt rückwärts. Die Gruppe unter ihm ist verstummt und starrt mit offenen Mündern nach oben.
Vor ihrer Tür steigt Doris über den Bauschacht. Das zerrissene Band hängt immer noch schlaff herunter. Seit Wochen wird eine neue Gasleitung in der Straße verlegt. In ein paar Stunden werden wieder Bagger und Preßlufthämmer nerven.
Die Katze empfängt sie miauend. Sie tut so, als hätte sie seit Tagen nichts zu fressen bekommen. Doris schüttet ihr etwas Trockenfutter in den sauber geleckten Napf. Die Katze verliert schnell das Interesse und streift im Bad, wo Doris sich vor dem Spiegel abschminkt, um ihre Beine.
Im Bett kuschelt sich Minka an Doris’ Füße. Früher hat sie sich gerne an dem warmen Fell gewärmt. Kalte Hände und kalte Füße plagten sie auch im Hochsommer. Seitdem sie regelmäßig joggt, hat das nachgelassen.
Vor dem Einschlafen denkt sie, wie immer, an Leo. Kaum zu glauben, daß es schon vier Jahre her ist, daß er sie verlassen hat. Ein Jahr lang hat sie gekämpft, gelitten, aufgegeben, vermeintlich Versäumtes nachgeholt und ist dann in emotionalen Winterschlaf (Jo nannte es einmal Dornröschenschlaf) gefallen.
*
Gabi Wagner hat ihren Kopf in Waldes Büro gesteckt: »Waldemar, könntest du mal bei Gelegenheit bei mir reinschauen? Mein Drucker streikt.« Strähnen haben sich aus ihrem Zopf gelöst und baumeln vor ihrem Gesicht.
»Sieht nach möglichst sofort aus«, Walde rollt seinen Stuhl zurück und steht auf.
»Ich bin im Moment allein, und der Bericht muß bis zwölf zur Staatsanwaltschaft.«
»Da haben wir ja noch 20 Minuten«, bemerkt Walde mit Blick auf die Armbanduhr.
Sie schiebt die Haare aus dem Gesicht: »Der blöde Kasten macht keinen Mucks mehr.«
»Dann drucken wir vorsichtshalber bei mir aus. Schick’ mir die Datei rüber.«
Als sie zurückkommt, schnurrt schon Waldes Drucker: »Wegen des roten Mofas …«
»… gleich, ich such’ mir schnell noch jemanden, der das rüberbringt.« Sie überfliegt den Text und kritzelt ihre Unterschrift darunter: »Bin gleich zurück.«
Minuten später drückt Walde ihr ein Blatt in die Hand und bietet ihr einen Stuhl an: »Hier stehen alle in der Stadt Trier und den östlich angrenzenden Gemeinden zugelassenen Zweiräder, die in Frage kommen.«
»Mir ist nicht so ganz klar, warum es ausgerechnet die hier auf der Liste sein sollen«, bemerkt sie.
»Also, der Mann, der am Sonntag das Kind vom Föhrener Spielplatz locken wollte, und der von gestern in Kenn, die sollen laut übereinstimmenden Zeugenaussagen und meinen eigenen Beobachtungen ein rotes Mofa alten Typs gefahren haben.«
»Die Zeugen von Föhren sind ausschließlich Kinder«, wirft Gabi Wagner ein.
»Die Roller, Vespas und Mofas neueren Typs sehen alle gleich aus.«
»Und was ist mit den Nummernschildern?«
»Auch die sind gleich, ich habe mit Kollegen von der Schupo gesprochen und war in einigen Läden, die diese Dinger verkaufen. In den letzten Jahren werden fast nur noch diese runden Mofas mit Wetterschutz gekauft. Sie unterscheiden sich äußerlich nicht von den Rollern und können mit einem kleinen Kniff auch schneller gemacht werden.« Walde klaubt einen Prospekt unter einem Stapel Papiere hervor und zeigt auf die Bilder.
»Und so was erzählen sie dir in den Läden?«
»Das weiß doch jeder, der es wissen will. Aber das spielt in diesem Fall sowieso keine Rolle. Die Kinder konnten sehr wohl zwischen einem Mofa alter Bauart und den neuen Rollern, Vespas, oder wie sie auch immer heißen, unterscheiden.« Walde drückt vorsichtig auf den Verband, unter dem die Kopfhaut juckt.
Sie seufzt: »Hoffentlich! Hätte die Beobachtungsgabe der Kinder beim Täter so gut funktioniert wie bei dem Mofa, dann wäre uns geholfen.«
»Die übrig gebliebenen Mofas sind auf die rote Farbe und männliche Halter eingegrenzt«, fährt Walde fort, er ist aufgestanden und schaut aus dem Fenster. »Wenn der Fahrer etwas mit dem Fall Nicole zu tun hat, dann ist er heute mindestens 20 Jahre, eher älter. Dann habe ich alles noch durch ein paar Siebe laufen lassen.«
»39 Verdächtige«, überlegt Gabi, »und wenn das Mofa früher grün war und rot umgespritzt wurde oder gestohlen ist und ein gefälschtes Kennzeichen hat oder gar nicht zugelassen oder geliehen ist? Und wenn der Täter jünger ist und nichts mit der Sache vor neun Jahren zu tun hat oder von weiter außerhalb kommt?«
»Dann kann uns der Kasten nicht weiterhelfen.« Walde klopft an
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