Akte Mosel
Jobangebot.
Ihre Liebe zur Kunst hat sie sich erhalten. Sie erledigt für den Trierer Kunstverein die Öffentlichkeitsarbeit und steht ab und zu Künstlern Modell.
Anstatt wie üblich im Kulturzentrum tagt der Kunstverein heute in einem Biergarten. Als Doris aus dem kühlen Treppenhaus tritt, dessen dicke Außenmauern bisher die Hitze nicht ins Innere haben dringen lassen, wird ihr wieder bewußt, wie heiß es ist. Bis zum Brauereigarten ist die rechte Hand, in der sie ihre Mappe hält, naß geschwitzt. Sie wischt die Handfläche an ihrer Jeans ab.
Am Tisch des Kunstvereins trifft sie gleichzeitig mit Joachim Ganz ein.
»Hallo, Doris, heiß heute«, mit einem kurzen Klopfen auf die Tischplatte grüßt er die Anwesenden. Da kann sich Doris die lästigen Shakehands ebenfalls sparen.
Sie rückt sich einen Metallstuhl mit Holzsitz zurecht und bestellt Viez-Sprudel. Ein purer Viez hätte sie gleich umgehauen. Ihre Tischnachbarn üben da weniger Zurückhaltung. Die erste Runde Steinkrüge mit frisch gezapftem Bier und die 0,2-Liter-Gläser mit herbem Elblingwein sind bereits geleert.
»Du bist blaß«, sagt Joachim zu Doris.
»Ein paar blöde Typen haben mich angemacht.«
»Wo?«
»Bei mir vor der Haustür. Aber du siehst auch ein wenig verknittert aus, habt ihr letzte Nacht noch ausgiebig Maries Geburtstag gefeiert?«
»Nein, ich habe heute die Vorauswahl für die Versteigerung des Großen Ring treffen müssen, insgesamt 50 Proben.«
»Bei dieser Hitze?«
»Der Termin wurde schon vor Monaten festgelegt, da konnte noch niemand ahnen, daß der Sommer ausgerechnet in den August fallen würde.«
»Aber du hättest den Wein ausspucken können.«
»Erstens hasse ich Spucken, deswegen gucke ich mir ungern Fußballspiele an, zweitens wäre das eine Sünde gewesen bei so edlen Tropfen, wie ich sie heute vorgesetzt bekam.«
»Du Armer, in deinem Job muß man wohl einiges schlucken.«
»Das kannst du glauben, und dazu noch Schläge einstecken. Nach der Probe stand der Mann mit dem Hammer auf der Kellertreppe. Ich mußte mich glatt zwei Stündchen hinlegen.«
»Im Büro?«
Joachim überhört die Frage: »Na, jedenfalls werde ich so langsam wieder nüchtern.« Er schlürft geräuschvoll sein Mineralwasser, als wäre er noch bei der Weinprobe.
»Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten!« Helga Ungers eröffnet die Sitzung des Kunstvereins.
»Ich begrüße Sie recht herzlich zu unserer heutigen Vorstandssitzung.«
Doris zerrt Block und Kuli aus ihrer Mappe.
»Frau Dern läßt sich entschuldigen, sie fliegt morgen in aller Frühe in die Staaten. In diesem Zusammenhang sei bemerkt, daß sie dort Ausschau hält nach dem ein oder anderen Objekt für unsere deutsch-amerikanische Ausstellung im nächsten Jahr.«
»Und nach dem ein oder anderen gut gebauten zweibeinigen Subjekt, das die Objekte herstellt«, murmelt Jo für alle hörbar dazwischen.
»In der Einladung wurde für heute nur ein Tagesordnungspunkt angegeben. Gibt es weitere Vorschläge?« fährt Helga Ungers ungerührt fort.
Schweigen.
»Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zu unserem heutigen Thema: die Vorbereitung der Herbstausstellung mit Grafiken …«
Doris’ Kuli gibt den Geist auf.
Ein Blick in die Runde zeigt ihr, daß sie die einzige ist, die der Vorsitzenden noch zuhört. Zwei Frauen und vier Männer, und wer macht die Arbeit? Klar. Die Herren der Schöpfung sitzen entspannt um den Tisch und gucken ungeniert in die Dekolletés der weiblichen Gäste. Im Biergarten kehrt Leben ein. Die Geschäfte haben soeben geschlossen.
»He, Jo, hast du einen Kuli dabei?« Doris stößt Joachim, der einer Schönen am Nebentisch in die halb aufgeknöpfte Bluse stiert, sachte einen Ellbogen in die Seite. Dieser kramt in seinen Hosentaschen und befördert nacheinander Schlüsselbund, Geldstücke, 50-Mark-Schein, Schweizermesser, Klapplupe und undefinierbare Brocken auf den Tisch. Doris wartet nur noch darauf, daß ein paar Kieselsteine und eine lebende Eidechse zutage kommen.
»Nee, tut mir leid, Doris, mehr hab’ ich nicht dabei.«
»Aber guck mal hier«, Jo legt einen der Brocken, ein kleines grünes, nicht ganz rundes Stück auf Doris’ Block.
»Das ist eine römische Münze, hab’ ich heute morgen gekriegt«, erläutert er. »Eine Mariana, das war die Schwester des Trajan …«
»… können wir so verfahren?« Helga Ungers hebt ihre Stimme. »Ich bitte um Handzeichen, falls jemand dagegen ist …« Sie schaut in die Runde. »Das ist nicht der
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