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Akte Mosel

Akte Mosel

Titel: Akte Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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Reißverschlusses und Schritte, die sich entfernen.
    Nachdem er ein paar Minuten reglos verharrt hat, schraubt Jo das Suchgerät auseinander und verstaut es mit der Hacke in der Tasche. Im Schatten der Mauerreste kriecht er zur Lücke im Bauzaun. Ganz langsam schiebt Jo den Eimer vorwärts, um so leise wie möglich zu sein. Vor der Bretterwand hängt er sich die Tasche um und schleicht tief gebückt an den Hecken entlang.
    Mehrmals muß er anhalten und den schweren Eimer absetzen, weil die Oberschenkel verkrampfen und der Rücken tierisch schmerzt. Nahe der Schranke wartet er. Niemand kommt, niemand fährt. Wie wirkt er auf mögliche Passanten? Ein verdreckter Kerl mit einer Tasche um die Schulter und einem großen Eimer vor dem Bauch. Zu spät in der Nacht, um den Anschein zu erwecken, von der Ernte aus dem Garten zu kommen. Einer Polizeistreife sollte er nicht unbedingt über den Weg laufen.
    *
    Vor ihrem Haus ist keine Polizei zu sehen. Doris klemmt nach dem Aussteigen die Jutetasche fest unter den Arm. Im Treppenhaus ist es ruhig. In ihrer Wohnung läßt sie sich neben den Tisch mit dem Telefon sinken.
    »Hallo, ja?« meldet sich eine verschlafene Stimme.
    »Entschuldige, ich bin’s, habe ich dich geweckt?«
    »Nein, nicht direkt, bin wohl eingedöst, ich warte auf Jo, was ist denn los?«
    »Es ist etwas passiert. Mehr möchte ich dir am Telefon nicht sagen. Können wir uns treffen?«
    »Warum? Jetzt?«
    »Was hast du morgen früh vor?«
    »Einkaufen, im Auchan in Luxemburg.«
    »Dann komme ich dahin.« Doris weint.
    Marie wartet ein Weile; als sie keine Schluchzer mehr hört, fragt sie: »Ist 10 Uhr in Ordnung? Kommst du klar bis dahin?«
    »Hmh, bis morgen.«
    Während das Wasser in die Wanne läuft, kippt Doris die Scheine auf’s Bett und zählt. Knapp 8.000 Francs, 500 Gulden, 55.000 Luxemburger Francs und 45.000 Deutsche Mark. Das sind umgerechnet mehr als 50.000 Mark – viel Umsatz im Hochsommer, wo höchstens Bedarf an Sandalen besteht.
    Ein Bündel Hundertmarkscheine steckt sie in ihr Portemonnaie, und den Rest deponiert sie in der Tasche unter ihrem Kopfkissen. Nach dem Bad legt sie sich auf’s Bett und starrt an die Decke.
     
    *
     
    Jo huscht an der Schranke vorbei und geht, so schnell es die Last zuläßt, die dunkle Zufahrtsstraße in Richtung Moselufer hinunter. Niemand begegnet ihm. Er atmet tief durch und läuft über die vierspurige Uferstraße. Der Verkehr ist spärlich. Auf der anderen Straßenseite geht er eine Treppe zum Moselufer hinunter. Auf dem kleinen Teerweg, auf dem tagsüber Radfahrer und Spaziergänger unterwegs sind, ist es jetzt still. Nur die Geräusche der Stadt mischen sich mit dem Glucksen des Wassers. Ab und zu hört Jo ein lautes Platschen. Es sind Fische, die immer noch nach Insekten schnappen. Links ragt die Römerbrücke in den Nachthimmel. Von der anderen Uferseite spiegeln sich die Lichter eines Hotels im Fluß. Darüber thront über dem Markusberg die angestrahlte Mariensäule.
    Jo geht in Richtung Kaiser-Wilhelm-Brücke. Von wo soll er Marie anrufen? Nochmals über die Uferstraße möchte er nicht mehr mit dem Eimer laufen. Vielleicht läßt sich hier im Ufergestrüpp ein Versteck finden, wo er den Schatz deponieren kann.
    Der Eimerinhalt mit seinen weit über tausend Goldmünzen ist gut und gerne fünf bis zehn Millionen Mark wert. Instinktiv schaut er sich um. Der Weg verläuft fast schnurgerade. Niemand ist zu sehen. Rechts tauchen die alten Moselkräne auf. Die Balken, an denen früher die Ladungen der Moselkähne hingen, erinnern an Galgen. Jo stellt den Eimer ab und setzt sich ins Gras. Hier am Fluß ist die Nachtluft angenehm. Er kämpft dagegen an, sich nach hinten fallen zu lassen. Ganz in der Nähe ist das Kichern eines Liebespaares zu hören. Endgültig verwirft er den Gedanken, den Eimer am Moselufer zu verstecken.
    Bald schimmert ein Licht in der Uferböschung. Es ist die Fußgängerunterführung unter der Uferstraße zur Ausoniusstraße. Auf der anderen Seite gelangt er nach nur wenigen Häusern zu einer Telefonzelle an einem Parkplatz. Keine Menschenseele ist zu sehen. Der Apparat ist intakt, und nach einmal Klingeln meldet sich Marie: »Hallo, ja?«
    »Ich bin’s, tut mir leid, Marie, daß es so spät geworden ist. Kannst du mich bitte abholen?«
    »Wo bist du?«
    »Am Parkplatz in der Ausoniusstraße hinter der Toni-Chorus-Halle. Weißt du, bei der Berufsschule.«
    »Ich komme sofort.«
    Er setzt sich hinter ein parkendes Auto auf einen

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