Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Akte Mosel

Akte Mosel

Titel: Akte Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
Vom Netzwerk:
wurde. Damals lag das Flußbett der Mosel und damit auch der Grundwasserspiegel fast zwei Meter höher als heute, und das Geheimfach befand sich wohl nur knapp über der Wasseroberfläche. Zudem waren die Menschen damals nicht so groß, daß sie vom Brunnenrand aus, der vermutlich etwa die heutige Höhe hatte, an den losen Stein fassen konnten. Wer das Fach benutzte, mußte eine Leiter ins Wasser stellen und sich nasse Füße holen.
    Jo schiebt den Stein wieder in die Lücke und klopft sich den Staub vom T-Shirt.
    Zurück in der Diele nimmt er den Eimer und bringt ihn zum Auto. Der Wagen ist nicht abgeschlossen. Jo setzt sich auf den Beifahrersitz, den Eimer, wie in der Nacht, zwischen seinen Beinen.
    Während der Fahrt schweigen beide. An der Kaiser-Wilhelm-Brücke, wo sich an Werktagen um diese Zeit der Berufsverkehr staut, kommen sie gut durch. Hier wird es heute erst nach Öffnen der Geschäfte lebhaft werden.
    In Jos Kopf herrscht Wirrwarr. Vorhin ist er zusammengezuckt, weil er glaubte, aus den Augenwinkeln einen Schatten, vielleicht ein Tier, zu sehen, das von rechts vor das Auto lief. Die Müdigkeit hat ihm einen Streich gespielt. Es fällt ihm schwer, sich zu konzentrieren. Er denkt darüber nach, was jetzt werden soll. Es wird Ärger geben, soviel ist sicher. Vielleicht sogar viel Ärger. Die Münzen sind mehrere Millionen Mark wert. Er hat ausgesorgt, auch wenn er die Aurei abgibt. Zehn Prozent Finderlohn, das sind mehrere hunderttausend Mark. Das Haus ist fast bezahlt. Jetzt können sie sich ihren Traum verwirklichen: ein Häuschen in der Medoc mit einem kleinen Weinberg.
    Seit ihrer Hochzeit verbringen Jo und Marie jedes Jahr dort ihren Urlaub. Seit Maries Vater gestorben ist und die Geschwister ausgezogen sind, wohnen sie zwei bis drei Wochen bei Maries Mutter in einem kleinen Häuschen am Rande von Pauillac nahe der Gironde. Vielleicht können sie die Geschwister ausbezahlen und die nötigen Reparaturen ausführen lassen. Ein kleiner Weinberg würde sich schon in der Nähe finden.
    Was soll er Zelig erzählen? Die Wahrheit, das ist am besten. Alles andere hat sowieso keinen Zweck. Was werden die anderen Gräber vom Kockelsberg dazu sagen?
    »Wo soll ich anhalten?« Jo schreckt auf. Sie fahren bereits durch die Feldstraße und sind nahe der Einfahrt zu den Kliniken. Links ist der Bauzaun an der Einfahrt für die Baufahrzeuge geöffnet. Gegenüber halten mehrere Pkw’s.
    »Halt’ bitte hier an. Ich laß’ den Eimer bei dir im Auto, ich bin gleich zurück«, Jo ist schon aus dem Auto.
    Der Wagen steht im Halteverbot, aber um diese Zeit sind wohl noch keine Politessen unterwegs. Deren große Zeit kommt erst am Nachmittag, wenn die Besucher der Klinik geschröpft werden. Das wird noch solange gehen, bis das Parkhaus fertig ist. Dann zocken die Schwestern ab.
    Auf der Baustelle stehen ein paar Männer vor einem Betonpumpenwagen, der den großen Schwenkarm weit in die Höhe gefahren hat. Jo weicht zur Seite, um einen Betontransporter vorbeizulassen, der in die Baustelle einfährt. Als er näher kommt, erkennt er Zelig in der Mitte der Gruppe.
    »Da sind Sie ja, zeigen Sie mir bitte die Stelle«, begrüßt ihn ein leichenblasser Zelig. Er trägt eine dunkle Hose, die zu einem Anzug gehört. Darüber ein nur notdürftig in die Hose gestecktes buntes Hemd. An den nackten Füßen hat er Sandalen, für Socken war wohl keine Zeit mehr.
    »Ich glaube, es ist da hinten.« Jo muß sich erst orientieren und zeigt in Richtung Kapelle.
    »Dann los, gehen wir.« Zelig steigt zwischen Brettern und Mauerresten hinunter.
    »Es sind für heute ein paar hundert Kubikmeter Beton bestellt. Wir können das jetzt nicht so einfach abblasen. Das kostet uns sonst eine Stange Geld.«
    Nach ein paar Metern bleibt er stehen und atmet schwer. Die Blässe in seinem Gesicht ist einer grünlichen Farbe gewichen. Er torkelt ein paar Schritte zur Seite und erbricht sich an einem aus dem Boden ragenden Fragment eines Kellergewölbes aus römischen Ziegeln.
    »Bin erst spät ins Bett gekommen, gestern war eine Weinprobe in Piesport«, erklärt Zelig mit schwacher Stimme, als er zurückkommt.
    »Wenn ich für etwas auf der Welt Verständnis habe«, sagt Jo, »dann für die Folgen einer ausgiebigen Weinprobe.«
    »Da wurde einfach zuviel durcheinander getrunken«, stöhnt Zelig.
    »Und die besten Weine kommen zum Schluß, da nützen dann auch die guten Vorsätze nichts mehr. Und heute ist nicht nur die Zeller schwarze Katz, sondern ein

Weitere Kostenlose Bücher