Akte Mosel
Schuhgeschäftes in der Brotstraße ist darauf.
Neben Kontoauszügen einer luxemburgischen Bank steckt eine Illustrierte mit skandinavischem Titel, irgendein hartes Herrenmagazin. Ganz unten ragt der Knauf einer Pistole aus einem braunen Lederfutteral. Sie stopft die Geldbündel in die Jutetasche und legt die Chauvi-Illustrierte auf die Pistole ins Handschuhfach. Mit einer über die Hand gezogenen Frotteesocke wischt sie den Koffer ab, bevor sie am Ufer liegende Kieselsteine hineinfüllt und eins der Schlösser provisorisch verschließt. Am Wasser knieend wartet sie, bis der Koffer vollgelaufen ist und läßt ihn mit der langsamen Strömung treiben. Soll ein Angler ihn an den Haken kriegen oder ein Aal darin Zuflucht finden. Das Pfefferdöschen wirft sie hinterher.
*
Durch ein von hohen Mauern gesäumtes Gäßchen gelangt Jo in die Feldstraße und kommt bald zu einem zwei Meter hohen Bauzaun, der neben der Krankenhauskirche beginnt und bis zum Eingangsbereich verläuft, wo ein breiter Fußweg zum einhundert Meter zurückliegenden Hauptgebäude führt. Daneben befindet sich eine Schranke, die die Einfahrt für Fahrzeuge versperrt. Jo geht weiter bis zu den Telefonzellen am Paulusplatz und ruft wieder bei Zelig an. Immer noch ist der Anrufbeantworter eingeschaltet.
»Herr Zelig, hier ist Joachim Ganz, ich habe eine dringende Nachricht für Sie. Ich werde es später nochmals versuchen. Äh, ich rufe morgen früh nochmal an, gute Nacht.«
Bei Walde ist besetzt. Er wartet ein wenig und versucht es noch einmal. Immer noch besetzt. Vielleicht hat er den Hörer nicht richtig aufgelegt.
Als Jo die Telefonzelle verläßt, schlägt die Uhr der Pauluskirche elf Mal. Er geht in Richtung Mosel und passiert die Schwesterklinik an der Moselseite, bevor er zum Eingang des Parkplatzes für das Personal kommt. Er duckt sich unter der Schranke hindurch und gelangt an einigen parkenden Autos vorbei in den unbeleuchteten großen Garten. Im etwa 200 Meter entfernten Haupthaus brennt nur noch hinter wenigen Fenstern Licht. Jo wendet sich nach rechts und gelangt zur Baustelle. Auch hier sperrt der gleiche Bauzaun die Baustelle vom Klinikgarten ab. Bisher hat er sich im dunklen Bereich des Gartens bewegt, wenn er weitergeht, kommt er ins Licht der Scheinwerfer, die auf die Einfahrt zur Feldstraße gerichtet sind und einen Teil der Baustelle beleuchten. Jo blickt hoch zum Schwesternwohnheim. Ihm scheint, als habe er gerade auf einem der Balkone eine Zigarette aufglühen sehen. Er kauert sich hinter einen Strauch auf den Rindenmulch der Beeteinfassung. Wenig später fliegt etwas Glühendes über das Balkongeländer auf den Rasen. Geduckt pirscht er sich am Bauzaun entlang weg von den Scheinwerfern. Dort, wo die Baustelle an die Kapelle grenzt, stoßen zwei Elemente des Zaunes nicht bündig aneinander. Der Zwischenraum ist mit Plastikband abgesperrt. Mit dem Schweizermesser durchtrennt Jo das unterste Band direkt über der Erde und schiebt seine Tasche vor, dann robbt er in Schräglage, auf einer Schulter liegend, zwischen den Zaunelementen hindurch.
Jo klettert über Mauerreste und Erdwälle hinab auf die tief unter dem Niveau des Gartens liegende Sohle der Baustelle. Sie gleicht mit ihren vielen Mauerresten eher einer archäologischen Ausgrabungsstätte denn einer Baustelle für ein modernes Parkdeck. Die gespenstische Szenerie erinnert ihn an einen nächtlichen Besuch, den er einmal den Kaiserthermen abgestattet hat. Im Suff war er mit Kommilitonen nach einer Feier auf der Wiese des Palastgartens über den Zaun zur danebenliegenden römischen Ruine gestiegen und durch die unterirdisch verlaufenden Gänge getappt.
Der Sternenhimmel und die schwach herüberstrahlende Beleuchtung der Feldstraße tauchen die Mauerreste in ein fahles Licht. Wenn jetzt hier ein Graben einstürzt, bist du für alle Zeiten verschwunden und keiner wird dich jemals finden, denkt er, als er sich zwischen zwei hohen Erdwällen hindurchtastet. Mühsam erkundet Jo, eng an die Mauern geduckt, die Baustelle. An ungeschützten Stellen kriecht er auf allen Vieren.
In der Nähe des einzigen Baggers entdeckt er die Brunnenanlage, die offensichtlich die Aufmerksamkeit der Archäologen am heutigen Nachmittag auf sich gezogen hat. Das Mauerwerk ist in diesem Bereich, am Rande der Baustelle, entfernt worden. Als er auf offenbar frisch ausgehobene Vertiefungen stößt, erwacht sein Entdeckungsfieber von neuem.
Mit dem Metalldetektor, dessen Piepston er ganz leise
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