Akte Mosel
eingestellt hat, untersucht er die Oberfläche. In der Rückwärtsbewegung stößt er mit dem Fuß an eine Scholle, die ein knirschendes Geräusch von sich gibt. Jo dreht sich um. Das augenblicklich einsetzende Piepsen ist für ihn das wunderbarste Geräusch der Welt. Es reißt nicht sofort wieder ab, wie es bei einem Einzelfund der Fall ist, wenn das Objekt nur kurz in den Magnetbereich kommt. Es gibt einen Dauerton von sich, der eine Fundstelle von mehreren Handbreit Durchmesser signalisiert. Als er den ersten Aureus gegen das spärliche Licht hält, weiß Jo sofort: er hat den Rest des Schatzes gefunden. Was heißt Rest, offensichtlich liegt hier der Hauptteil, der vom Bagger nur angekratzt worden ist. Mit den Händen legt er die Münzen frei, die, als wären sie gerollt worden, übereinander liegen. Jo langt in seine Tasche und zieht die Plastiktüte heraus, in der die Äpfel waren. Erst als er damit beginnt, die Münzen einzusammeln, wird ihm der volle Umfang offenbar. Schade, daß er keine Taschenlampe oder ein Feuerzeug dabei hat. Immer mehr Münzen füllt er in die Tüte. Es sind schon über hundert. Jetzt kann er sich vorstellen, wie sich jemand fühlt, wenn er erfährt, daß er den Jackpot im Lotto geknackt hat. Jo rafft und rafft und füllt die Tüte weiter mit Goldstücken. Sie liegen vor ihm auf der Erde, als hätte Sterntaler ihr Hemd ausgeschüttet. Er kann es nicht fassen. Viele hundert sind es. Nachdem er den letzten Aureus aufgehoben hat, legt Jo den Arm um die Tüte und hebt sie vorsichtig an. Es sind mindestens zehn Kilo, das hält die Tüte nie und nimmer aus.
Wo ist der Rest des Bronzegefäßes, dessen Fragment ihn überhaupt erst auf die Idee gebracht hat, hier zu graben? Soll er sich noch länger der Gefahr einer Entdeckung aussetzen und nicht besser mit den Münzen von hier verschwinden?
Schließlich siegt seine Neugier. Nach nur wenigen Minuten spürt das Metallsuchgerät unweit der Fundstelle ein Gefäß auf. Es ist fest verankert im Erdreich. Jo schießt der Schweiß aus allen Poren. Auch im Unterteil des bauchigen Bronzegefäßes Hegt ein dicker Batzen, diesmal sind es fest miteinander verbackene Münzen. Der Klumpen ist etwa halb so groß wie der Inhalt der Tüte. Er versucht, das Gefäß mitsamt dem ringsum anhaftenden Erdreich zu lockern. Es bedarf einiger Mühen, bis er alles zusammen aus der Vertiefung heben und neben die Plastiktüte stellen kann.
Jo läßt sich nach hinten sinken und liegt minutenlang bewegungslos auf dem Rücken. Als er die Augen öffnet, wähnt er sich in einem offenen Grab. Die Mauern ringsum scheinen näher gerückt zu sein. Darüber schimmert schwach der Sternenhimmel. Er streckt die Arme aus, um die beklemmende Enge zu verdrängen. Die rechte Hand landet auf der Tüte. Als er hineingreift, ist es wieder da, das Bild aus dem Film von der prall gefüllten Schatztruhe der Piraten, in die sich zwei gierige Hände schieben. Das ist die Entdeckung seines Lebens!
Die Tasche ist weder für den Topf noch für die Plastiktüte groß genug. Neben dem Bauwagen findet er einen henkellosen schwarzen Kunststoffeimer, halb gefüllt mit einem kalkähnlichen Pulver. Jo kippt ihn aus und legt das Gefäß mit den Anhaftungen hinein. Obendrauf kommt die Plastiktüte.
War das alles? Hat die Baggerschaufel weitere Münzen an einer anderen Stelle abgeladen? Besteht der Schatz womöglich noch aus weiteren Gefäßen? Jo ist hin- und hergerissen. Jederzeit können die anderen vom Kockelsberg die gleichen Schlüsse ziehen und hierher kommen. Er streift nochmals die Kopfhörer über und untersucht mit dem Gerät die nächste Umgebung der Stelle, an der das Bronzegefäß fast zwei Jahrtausende versteckt war. Blitzschnell duckt sich Jo auf die Erde. Aus nächster Nähe hört er Stimmen und Gelächter. Er schiebt den Kopfhörer in den Nacken. So ein Mist, die anderen kommen und machen einen fürchterlichen Lärm. Die haben bestimmt einen über den Durst getrunken. Er hört ihre näherkommenden Schritte. Als jemand an den Bauzaun schlägt, zuckt Jo zusammen. Die Geräusche kommen von der Feldstraße her. Jetzt sind sie auf seiner Höhe … die Schritte gehen weiter. Jo atmet kräftig durch und zuckt augenblicklich wieder zusammen. Direkt neben ihm platscht es heftig. Er schaut nach oben und weicht im letzten Moment, den Eimer hinter sich herschleifend, einem Strahl aus. Oh Gott, da pinkelt einer durch den Bauzaun. Es nimmt kein Ende. Dann endlich die erlösenden Geräusche des
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