Akte Mosel
vorsichtiges Räuspern, das in Husten übergeht.
»Entschuldigen Sie die frühe Störung, hier ist Joachim Ganz, ich habe eine wichtige Mitteilung für Sie. Haben Sie schon Ihr Band abgehört?«
»Ich bin erst spät nach Hause gekommen, was gibt es denn?« Zelig’s Stimme hört sich nicht mehr ganz so belegt an.
»Ich habe einen Fund gemacht, einen großen, einen sensationellen Goldfund, wir müssen sofort etwas unternehmen …«
»Wo?« unterbricht ihn Zelig.
»Im Erdaushub von der Schwesterklinik … und auf der Baustelle«, erklärt Jo.
»Auf welcher Baustelle?«
»Auf der Baustelle der Schwesterklinik«, ergänzt Jo zögernd.
»Die ist doch gesperrt«, in Zeligs Stimme schwingt Verärgerung mit.
»Deshalb habe ich Sie doch gestern abend noch spät erreichen wollen, aber Sie waren ja nicht da. Ich konnte keine Zeit verlieren.«
»Was haben Sie denn entdeckt?«
»Ich kenne nicht die genaue Zahl, ich schätze es sind an die zweitausend Aurei.«
Auf der anderen Seite ist es still, gerade als Jo nachfragen will, hört er Husten und dann Poltern.
»Moment«, klingt es schwach aus dem Hörer, so, als ob es weiter vom Telefon weg aus dem Raum heraus gerufen würde. Jo hört ein Quietschen, wie von einem Türscharnier, dann eine Zeit lang nichts mehr. Als er auflegen will, meldet sich Zelig wieder.
»Entschuldigung, ich mußte mal kurz raus, ich bin wohl zu abrupt aufgestanden. Wir haben nicht den ersten April, Sie machen ja wohl keinen Scherz?« fragt er.
»Nein, es ist so, wie ich sage«, antwortet Jo.
»Wo sind Sie? Ich komme sofort.«
»Ich bin zuhause, die alte Scholasterei, Sie wissen doch, in Pfalzel. Es wäre gut, wenn Sie vorher die Baustelle stoppen würden, es soll heute betoniert werden.«
»Am Samstag?« fragt Zelig.
»Ja, das sagte zumindest gestern einer von der Baufirma.«
»Okay, dann fahre ich erst dorthin und komme dann zu Ihnen.«
»Dann wäre es ja wohl am besten, wir kämen auch hin. Ich könnte Ihnen dort gleich die Fundstelle zeigen«, schlägt Jo vor.
»Gut, bis gleich.«
Es ist sieben Uhr geworden. Jo wählt Waldes Nummer, legt nach dem zweiten Klingeln wieder auf. Als er die Küche betritt, hat Philipp gerade seinen Teller in die Spüle gestellt und küßt beim Hinausgehen seine Mutter flüchtig auf die Wange.
»Wo ist denn euer Turnier?« fragt Jo.
»Äh … in Konstanz«, Philipp schlurft zur Tür.
»Warte mal, das kann doch nicht sein.«
»Dann ist es wohl Koblenz … oder Konz, ist doch egal.«
»Ich drück’ dir die Daumen, paß’ auf die Dame auf!«
»Danke, Paps, tschöh«, ruft Philipp. Ein in die Höhe stehendes Haarbüschel streift den oberen Türrahmen. Dann knallt die Haustür zu.
»Ich habe Zelig erreicht, wir wollen uns gleich auf der Baustelle treffen. Bist du noch fit?« fragt Jo Marie, die eine Kaffeetasse in der Hand hält.
»Der Kaffee wird wohl noch eine Weile wirken, trink’ auch noch einen.« Sie zeigt auf die Kanne, auf der noch der dampfende Filter steht. »Ich zieh mich nur noch um.«
Als Marie die Küche verläßt, nippt Jo an dem heißen Kaffee. Er holt einen Frischhaltebeutel aus der Küchenschublade und geht an den Schatzeimer. Mehrere Hände voll Münzen füllt er in den Beutel. Obenauf liegen viele der nicht im Katalog beschriebenen Stücke. Dann legt er das Tuch wieder auf den Eimer und horcht in die Diele. Marie scheint im Bad zu sein. Mit dem Eimer in der rechten Hand und dem Beutel in der linken geht er die Treppe hinunter und stellt den Eimer an der Haustür ab. Dann huscht er in den Keller und steckt den Beutel hinter die staubigen Einmachgläser ins Regal. Auf der Stiege wirft er einen Blick zurück in den Keller. Der große gewölbte Raum ist weiß gekalkt. Zwischen allerlei Gerümpel ragt die steinerne Einfassung des Brunnens hervor. Der Fußboden ist aus gestampftem Lehm. Jo wendet sich um und geht zum Regal zurück. Er nimmt den Beutel wieder an sich und blickt über den Brunnenrand in das schwarze Loch. Drei Meter tiefer steht Grundwasser der nahen Mosel. Jo lehnt sich weit über den Rand, bis er mit gespreizten Fingern einen losen Stein ertastet, den er vorsichtig herauszieht. Er legt ihn auf die Einfassung und steckt die Tüte mit den Münzen in den Hohlraum.
Als er den Brunnen freilegte – er war bis zum Rand mit allerlei Schutt und Unrat gefüllt – fiel ihm ein loser Stein auf. Dahinter fand er eine primitive einläufige Pistole, wie sie Anfang des 19- Jahrhunderts zur Zeit der Napoleonischen Kriege verwendet
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