Akte Mosel
Lottogewinn, heute morgen ein Glücksfall, und jetzt hab’ ich das Gefühl, als wäre nur noch ein Fall übrig geblieben.«
Das Telefon klingelt. Marie steht auf und geht aus der Küche.
»Für dich, Jo«, ruft sie.
»Wer ist es?«
»Ich glaube, einer vom Münzverein, Frohnen oder so.«
Walde räumt Teller und Tassen zusammen, steht auf und wäscht sie an der Spüle ab.
»Willst du schon aufbrechen?« fragt Marie.
»Ich fahre noch ins Kordeler Schwimmbad.«
»Du willst schon gehen?« fragt Jo, als er wieder in Küche tritt.
»Ihr könnt ja mitkommen.«
»Ich habe gerade erfahren, daß sich die Leute vom Kockelsberg morgen abend treffen. Ich setze mich jetzt besser hin und schreibe das Gedächtnisprotokoll, bevor das Schatzfinderlatein meiner Kollegen Realität und Wunschdenken verschwimmen läßt. Danke, daß du gekommen bist.«
»Ich drück’ dir den Daumen, halt’ mich auf dem laufenden, tschüß, Marie.«
»Merci für den Kuchen, mach’s gut.«
Als Walde gegangen ist, verschwindet Jo im Arbeitszimmer. Marie packt ihre Reisetasche. Sie hat das Radio von SWR 3 auf RPR umgestellt. In den Regionalnachrichten wird vom Überfall berichtet. Von einer fünfstelligen Summe und einer ungewöhnlichen Überrumpelung ist die Rede. Der Täter konnte entkommen. Nichts weiter.
Später setzt sie sich auf ihren Lieblingsplatz am Gartenteich und schaut den Goldfischen zu.
»Was hältst du von einem kleinen Spaziergang?« Jo ist hinter sie getreten und hat beide Hände auf ihre Schultern gelegt.
Hand in Hand gehen sie zwischen Hochwasserschutzmauer und Mosel entlang. Über der steinernen Uferbefestigung setzen sie sich ins Gras und beobachten, wie das Pfalzeler Bootchen am Anlegeplatz der Klosterschenke seine letzten Passagiere für heute aufnimmt.
»Was wird aus unserem Urlaub?«
»Fahr’ mit Philipp vor, wenn du willst, ich komme dann mit dem Zug nach.«
»Ich habe mich mit Doris verabredet, für ein zwei Tage ins Elsaß zu fahren.«
»Wann?«
»Heute abend bis wahrscheinlich Montag. Für dich und Philipp ist genug im Kühlschrank.«
»Du hast mir gar nichts davon gesagt. Ich kann dir ja vertrauen, daß es wirklich Doris ist?« Jo schaut sie an und legt den Kopf schief.
»Wir haben das heute morgen ganz spontan verabredet. Ich weiß noch nicht einmal, ob es in den Elsaß oder in die Vogesen gehen soll.«
»Jetzt ist Hochsaison, es wäre wohl ratsam, vorher eine Bleibe zu suchen. Wann fahrt ihr denn los?«
»So um neun.«
»Dann kommt ihr ja mitten in der Nacht an, fahrt doch morgen früh los!«
»Nein, die Nacht gehört dazu.«
»Alle Achtung, bisher habe ich dich für den vernünftigsten Teil unserer Familie gehalten.«
»Du machst es mir schwer, dieses Image zu verlieren!«
*
Marie erspäht Doris roten Fiat, als sie am Flughafen Luxemburg-Findel über den Parkplatz kurvt. Doris wirft den Koffer auf den Rücksitz und küßt sie auf die Wange.
»Alles okay? Wie fühlst du dich?«
»Ganz gut, hast du was gehört?«
»Walde war da, aber der wußte nicht viel.«
»Hast du ihm was erzählt?«
»Wo denkst du hin? RPR hat es in den Nachrichten gebracht. Eine fünfstellige Summe, ungewöhnliche Methode, Täter entkommen, kein Name und keine Beschreibung.«
Doris seufzt: »Haben sie gesagt, wie es dem Mann geht?«
»Nein, scheint wohl nicht so schlimm zu sein. Was hast du heute gemacht?«
»Ich war fast den ganzen Tag in der Stadt Luxemburg unterwegs, habe mindestens einem halben Dutzend Eisbecher widerstanden, kenne mich jetzt bestens in allen Etagen der Kasematten und im neuen Museum aus … und habe von einem einsamen und von seiner Frau unverstandenen EU-Beamten Telefonnummer und Adresse aufgedrängt bekommen, sicher mit den unkeuschesten Absichten.«
»Du bleibst also hier?«
Doris lacht.
Sie fahren auf der Südautobahn an der Hauptstadt vorbei in Richtung Thionville. An der Grenze geht es im Konvoi mit anderen Pkw’s ohne Stop an dunklen Zollbaracken vorbei.
»Vive la France, deine Heimat hat dich wieder!« ruft Doris und summt die Marseillaise.
Links tauchen in der Ferne die vier riesigen Kühltürme des Kernkraftwerks Cattenom auf. Bis Thionville begleitet sie dieser Anblick.
»Was hältst du von einer Stadtrundfahrt?« fragt Marie, als sie an den großen Einkaufsmärkten am Stadtrand von Metz vorbeifahren.
»Ich glaube, ich war früher mal mit Leo hier auf einem Flohmarkt, aber ich kann mich kaum mehr erinnern.«
Gleich hinter der nächsten Abfahrt nähern sie sich der
Weitere Kostenlose Bücher