Akte Mosel
Lungenflügel wieder da bleibt, wo er hingehört und das Blut zwischen Rippenfell und Lunge abgesaugt wird. Ansonsten haben Sie noch eine Gehirnerschütterung. Außerdem waren noch zwölf Stiche über ihrem rechten Ohr und eine Teilrasur nötig.«
Walde tastet zum Kopf und spürt den weichen Verband.»Das war alles, was mir ohne Krankenblatt einfällt. Ist das genug Begründung, um Ihren Kollegen zu bitten, Sie jetzt in Ruhe zu lassen?« Der Arzt legt Walde eine Blutdruckmanschette an.
»Nur noch kurz, bitte, erzähle weiter, Harry!«
Harry schaut auf den Arzt, der sein Stethoskop aus den Ohren nimmt: »Machen Sie es kurz, ich höre weg.«
»Das Mofa ist sichergestellt, da ist der Bus drübergefahren. Der Bäcker liegt auch hier im Haus. Wir haben bei ihm zu Hause nichts gefunden, außer einer Werkzeugkiste. Der Untersuchungsbefund steht noch aus …«
»Das ist alles?« Walde versucht sich aufzusetzen. Jetzt ist der Schmerz nicht nur rechts, sondern im ganzen Brustbereich.
Harry windet sich: »Es liegt noch nichts Konkretes gegen ihn vor. Bisher ist noch nicht einmal aktenkundig«, Harry schaut zu dem Arzt, »ob es sich um einen Unfall oder eine versuchte Festnahme handelt.«
»Ihr habt ihn noch nicht verhaftet?« Walde stöhnt.
»Er ist doch noch hier im Krankenhaus, im Streckgips.«
»Ohne Bewachung? Hier sind doch auch Kinder!« Walde versucht sich aufzusetzen.
»Jetzt ist aber Schluß, wie soll ich denn Blutdruck messen, wenn Sie ihn aufregen?« Der Arzt nimmt wieder das Stethoskop herunter und schaut Harry grimmig an.
»Sorry«, sagt Harry, es ist nicht klar, an wen er die Entschuldigung richtet. Er packt seinen Laptop und verläßt den Raum.
»Welchen Tag haben wir heute?« fragt Walde.
»Dienstag, Sie sind seit drei Tagen bei uns.«
»Wie lange muß ich noch bleiben?«»Wollen Sie die mit nach Hause nehmen?« Der Arzt deutet auf die Geräte. »Wir sind hier auf Intensiv. Da sind andere froh, wenn sie auf eine normale Station verlegt werden!«
»Ich müßte mal zur Toilette.«
»Lassen Sie einfach laufen, Sie haben einen Katheter.«
»Nein, ich müßte mal …«
»Ich lasse Ihnen eine Pfanne bringen.«
»Können Sie mich nicht von den Schläuchen befreien?«
»Da hängen Sie nicht zum Spaß dran!«
»Aber der Katheter kann doch raus?«
Der Arzt drückt einen Rufknopf. Kurz darauf kommt ein Pfleger ins Zimmer.
Der Arzt teilt ihm mit: »Der Herr wünscht, von den Schläuchen befreit zu werden.«
»Wo ist die Machete, Herr Doktor?«
»Das hätte besonders bei diesem hier einen fatalen Effekt«, der Arzt tippt an den Schlauch, der zur Thoraxpumpe führt. »Sobald hier der Unterdruck weg ist, flatscht ihr rechter Lungenflügel wieder zusammen.« Er knickt den Schlauch und klemmt ihn mit zwei Metallklammern ab.
»In spätestens 20 Minuten müssen Sie wieder an die Pumpe.«
Der Pfleger hat die Bettdecke zurückgeschlagen und zieht am Katheter. Walde atmet ein paar Mal fest durch.
Der Arzt schaltet die Thoraxpumpe ab und wickelt Walde die Schnur mit den beiden Klemmen um den Hals. Er dreht die Flasche ab und stöpselt die Infusion ab. Der Pfleger ist mit Katheter und dazugehörendem Beutel verschwunden und schiebt kurz darauf einen Rollstuhl ins Zimmer.
»Das Klo ist am Ende des Gangs. Wenn es Ihnen dort beim Rauchen schlecht wird, will ich Sie nicht zurückschleppen müssen.«
Beide sind dicht neben Walde, als er seine langen Beine aus dem Bett hebt und etwas wackelig zum Stuhl geht. Beim Setzen spürt er an Gesäß und Rücken den kalten Bezug. Er hat nur einen kurzen Kittel an, der hinten offen ist. Der Pfleger parkt den Stuhl am Ende des Gangs vor der Tür zur Toilette. Walde stützt sich beim Aufstehen mit der Hand auf der schmerzfreien Seite ab. Dann erst kann er den Kittel packen und hinten zusammenhalten. An der Tür muß er ihn wieder loslassen. Der Pfleger tut so, als bemerke er nichts.
Jemand pfeift auf dem Gang. Walde dreht sich um, dieses Gesicht wird er sich merken, und Gnade ihm Gott, wenn er wieder gesund ist!
»Dacht’ ich mir’s doch, der Arsch kam mir irgendwie bekannt vor.« Jo kommt herangestapft und hält Walde grinsend die Tür auf.
Später schließt der Krankenpfleger Walde wieder an die Maschine an.
Jo schaut interessiert zu und deutet auf eine große Tasche, die er mitgebracht hat: »Ich habe dir ein paar Sachen eingepackt, Schlafanzüge, Bademantel, Kondome, Walkman, Kassetten, Arztromane, Handy, Zeitungen, Kontrabaß, Zahnbürste, Waschlappen.
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