Akte Mosel
kommentiert Klaus eine Szene und nimmt einen tiefen Schluck aus der Flasche. Was er in den letzten Minuten an Worten herausgepreßt hat, ist ein Vielfaches dessen, was er in den letzten 24 Stunden gesprochen hat.
»Wat hörst du da?«
Walde hat zum Fernseher geschaut und versteht erst nicht, was Klaus meint.
»Da drüben …«, sein Zimmerkollege deutet auf den Walkman.
»Ach so«, Walde steht auf und holt das Gerät. Er reicht Klaus den Kopfhörer mit der rechten Hand. Der Schmerz läßt ihn zurückzucken, und er wechselt den Kopfhörer in die linke.
»War net so … wichtig«, sagt Klaus, der Waldes Schmerzen bemerkt hat.
Walde stellt den Walkman an, nachdem sich Klaus die Kopfhörer übergezogen hat.
»Soll ich lauter?«
Klaus nickt: »Die hab’ ich auch, ist von … Fleetwood Mac! «
Die Tür geht auf, und das Abendessen wird gebracht. Walde ißt am Tisch. Er hat es halbwegs raus, den Brotaufstrich mit der linken Hand zu schmieren. Klaus rührt sein Essen nicht an.
»Ich hann ganz viel Platten«, sagt er und zieht den Kopfhörer ab. »Paar tausend Stück, die krieg’ ich von einem, der … Musikboxen uffstellt.«
»Sind die nicht verkratzt?«
»Ich hab’ die mal … naß abgespielt, aber dat muß ich dann … immer machen.«
»Kenn’ ich, das Problem, ich hab’ auch noch alle meine alten LP’s, kann ja nicht alles neu auf CD kaufen!«
»Bei mir sinn et nur Singles.«
»Klar, die kommen ja aus Musikboxen.«
Am frühen Montagabend kommt Doris zu Besuch. Walde fährt mit ihr im Fahrstuhl zum Garten. Dort setzen sie sich auf eine Bank neben der Kapelle. Die tief stehende Sonne steht auf der anderen Moselseite über der Mariensäule.
»Was ist mit Räumer?« fragt Walde.
»Wenn ich den Brief zurückziehe, verspricht er Ruhe.«
»Und?«
»Ich war letzten Montag in Hechts Kanzlei – er war nicht da.«
»Und?«
»Er ist die ganze Woche nicht im Büro gewesen. Elfie, seine Büroleiterin, hat mir erzählt, warum.« Doris seufzt. »Er ist übel zugerichtet worden. Elfie vermutet, daß Degenhardt einen seiner Schläger geschickt hat, als Rache für den Schlag mit dem Telefonhörer. Ich weiß es besser.«
»Das kann doch nicht wahr sein, wir leben doch nicht in einer Anarchie! Dann ist wohl auch nichts beim Notar angekommen?«
»Das ist anzunehmen.«
»Gehst du zu einem anderen Anwalt?«
Doris schüttelt den Kopf: »Nein, ich denke, wenn ich nichts gegen ihn unternehme, läßt Räumer mich in Ruhe.«
»Das ist ja unglaublich!«»Jetzt erzähl’ mal, wie es dir geht und was passiert ist?«
»Ich kann noch nicht lachen, ohne daß es weh tut, ansonsten geht’s.«
»Und was ist mit deinem … Fall?«
»Der liegt bei mir auf dem Zimmer.«
»Wie bitte?«
»Er ist ja nicht Hannibal Lecter.«
»Weiß er, daß du hinter ihm her warst?«
»Ich glaube nicht.«
»Wird er bewacht?«
»Nein, er ist nicht verhaftet, wir haben nichts gegen ihn in der Hand, außer einem Werkzeugkoffer, der zur Zeit im Labor ist.«
»Und wenn dabei nichts Belastendes herauskommt?«
»Dann versuchen wir es mit Gegenüberstellungen, mal sehen.« Walde hebt die Schulter und verzieht gleich darauf schmerzverzerrt das Gesicht. »Das war die falsche! Wie war’s in der Basilika?«
»Gut, schönen Gruß soll ich dir von Robby bestellen. Jo und Marie sind in der Medoc.«
Der Lärm eines nur knapp hundert Meter entfernt landenden Hubschraubers unterbricht das Gespräch. Eine Bahre wird von drei Sanitätern, von denen einer eine Infusionsflasche hochhält, im Laufschritt in die Notaufnahme gerollt. Wahrscheinlich ist es dieselbe Tür, durch die Walde vor zehn Tagen hier ankam.
»Du bist mit ihm zusammen im gleichen Zimmer, und das kannst du ertragen?«
»Zuerst habe ich auch jemand anderen erwartet, zwar keine Bestie, aber doch … ich weiß gar nicht, was ich erwartet habe. Ich wollte einfach in seiner Nähe sein, damit er hier nicht nachts durch die Gänge schleicht. Im Moment hat er einen Streckgips und kommt sowieso nicht aus dem Bett.«
»Der Unfall ist doch von der Polizei aufgenommen worden?«
»Ich werde einen Bericht nachreichen. Harry hält mir da noch eine Zeit lang den Rücken frei. Außer Harry weiß niemand im Präsidium, daß ich von Intensiv auf die normale Station verlegt wurde, sonst wäre schon längst eine Abordnung mit Blumenstrauß erschienen.«
»Wie hast du es geschafft, in dieses Zimmer zu kommen?«
»Das hat der Arzt gedeichselt, der mich zusammengeflickt hat.«
»Versprich, auf dich
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